Kommentar: EU beschließt automatisches Notrufsystem

[netzmeister]

Bislang war E-Call noch nicht beschlossen, auch wenn es allerorten durch die Medien gereicht wurde. Allerdings kann man keinem Redakteur verdenken, dass er das Notrufsystem gleich als beschlossene Sache angenommen und in die üblichen Listen "Das ändert sich bald für Autofahrer" aufgenommen hat - wir alle wussten, DASS es beschlossen wird. Schließlich ist es kompliziert, elektronisch und teuer, also war ein Beschluss unausweichlich.

Und heute kam er auch: Neu entwickelte Pkw-Modelle und leichte Nutzfahrzeuge müssen ab April 2018 europaweit mit einem automatischen Notrufsystem, dem so genannten "112-E-Call", ausgerüstet sein. Der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments bestätigte am Vormittag die entsprechende Einigung zwischen Kommission, Parlament und Rat.

"E-Call" ("emergency call") erkennt mit Hilfe von Sensoren einen schweren Unfall und löst automatisch und unverzüglich über eingebaute Ortungs- und Telekommunikationstechnik einen Notruf aus. Das System sendet dabei die Koordinaten des Unfallortes an die zuständige Rettungsleitstelle und baut gleichzeitig eine Sprechverbindung auf. Bei leichteren Unfällen bzw. in jeder Notsituation können die Fahrzeuginsassen den Notruf auch manuell auslösen.

Die EU-Kommission hofft, insbesondere in ländlichen Regionen den Zeitraum zwischen einem Unfall und dem Eintreffen der Rettungskräfte um bis zu 50 Prozent zu verkürzen. Dadurch sollen europaweit jährlich bis zu 2500 Menschenleben gerettet und die Zahl der schweren Verletzungen deutlich reduziert werden.

Soweit, so gut. Was mich ein wenig ins Grübeln brachte, war der Kommentar, den der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) dazu abgab: Der GDV begrüßt natürlich den Beschluss und den Willen der EU, bei E-Call "eine standardisierte, sichere und diskriminierungsfrei zugängliche Schnittstelle für den Austausch von Kfz-Daten" zu schaffen. Laut eigener Aussage hatte sich der GDV im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens frühzeitig für eine solche Schnittstelle eingesetzt, um ein drohendes Datenmonopol der Automobilhersteller zu verhindern und die Wahlfreiheit des Verbrauchers bei weiteren telematischen Dienstleistungen – etwa der schnellen Hilfe bei einer Panne oder bei der Ortung des Fahrzeugs nach einem Diebstahl – sicherzustellen. "Mit einer offenen Schnittstelle behalten die Autofahrer die Kontrolle über ihre Daten. So können sie sich jederzeit für das beste Angebot und für den von ihnen bevorzugten Dienstleister entscheiden – seien es Automobilhersteller, Versicherungen, Kfz-Betriebe oder Automobilclubs", sage Dr. Bernhard Gause, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des GDV.

Auch dieser Grundgedanke ist grundsätzlich ja zumindest nicht ganz verkehrt: Wenn es über die reine Notruf-Funktion "zusätzliche telematische Dienstleistungen" gibt, dann sollte dieses Verfahren auch geregelt werden, sonst verliert man die Kontrolle.

Aber WARUM braucht es denn diese zusätzlichen Dienstleistungen? Ursprünglich ging es nicht um irgendeinen Dienstleister, sondern um eine Sicherheitseinrichtung, die im Fall der Fälle tatsächlich hilfreich und lebensrettend sein kann. Wenn es nun nicht nur am Rande als "Zusatzleistung", sondern im gleichen Atemzug mit der Notruffunktion um die "Auswahl von Dienstleistern" geht, wird eine an sich lobenswerte Grundidee nur unnötig verwässert und bekommt einen unschönen Beigeschmack.

Und ein anderes, noch weitaus tiefsitzenderes Unwohlsein macht sich breit: E-Call hat nicht nur im Fall eines Unfalls "plötzlich" die Daten parat...nein, diese Daten werden ja fortlaufend erfasst. Mit anderen Worten: Nicht nur rein theoretisch, sondern ganz konkret ist zukünftig von jedem mit E-Call ausgerüsteten Fahrzeug zu jedem Zeitpunkt die exakte Position in irgendeiner Datenbank vermerkt. Verknüpft mit den Informationen von Zulassungsstellen, Meldeämtern und anderen Behördendaten lassen sich da eine Menge lustiger Dinge draus basteln.

Natürlich: Ist alles nicht rechtens. Wird auch keinesfalls gemacht. Ist verboten, und außerdem nicht erlaubt.

Und der gesunde Menschenverstand hält dagegen: "Was geht, wird irgendwann auch gemacht". Und mit E-Call geht's eben.

Und so kam es auch, dass der scheidende EU-Kommissar für das Ressort Verkehr, Siim Kallas, und die ebenfalls scheidende EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, Neelie Kroes, Ende Oktober in Wien den "Big Brother Award" erhielten - eben für das wunderbare Projekt "E-Call".

Privacy International, eine nicht-staatliche Organisation zur Verteidigung der Privatsphäre, verleiht diesen Award seit 1990 zusammen mit anderen Organisationen und begründete die Entscheidung mit folgenden Worten: "Noch bevor das erste Gerät montiert wird, entwickeln behördliche Überwacher und die Glücksritter des digitalen Zeitalters mit feuchten Augen Zusatznutzen für diesen ungeahnte Datenquelle digitaler Überwachung. Auch wenn in der Europäischen Menschenrechtskonvention das Recht unbeobachtet zu Reisen festgeschrieben ist, lässt sich die Phantasie gesichtsloser Überwacher nicht reglementieren. Tür und Tor sind für neue Überwachungsprodukte im Straßenverkehr dank EU Kommission geöffnet worden."

Weiter heißt es: "Es sieht also wieder einmal so aus, als würden wir von der EU-Kommission mit einem nicht ganz ungefährlichen 'Spielzeug' zwangsbeglückt, von dem jetzt noch behauptet wird, es sende ohne Unfall keine Daten. In Zeiten der Elektronik wissen wir aber auch, dass eine kleine Softwareänderung ausreicht, um weitere Funktionen in einem Gerät freizuschalten oder den Funktionsumfang zu erweitern. Dann könnte die Polizei die Geräte gleich mit der Versandstelle für Anzeigen koppeln."

Schöne neue Welt.

[LandShark]

Ich kenne das System von BWM die so was ähnliches schon seit langem verbauen.

Die Verbindung und der Austausch der Daten wird da manuell ausgelöst, wenn Du die SOS Taste drückst oder automatisch wenn es die Crash-Sensoren sagen.

Gegen Geld (oder in den ersten drei Jahren bei Neuwagen mit großem Navi) hast du Telematik Dienste, die Befehle an das Auto übermitteln können (Türen öffnen) oder eben NACH Bestätigung per Tastendruck Deine Postion an ein BMW Call-Center übermitteln, die Dir dann freie Parkhäuser oder die Adresse des Hotels, Kunden,.... den Du gerade suchst ins Navi "beamen".

Im Diebstahl falle kann das Call-Center nach hinreichender Autorisierung und Authentifizierung auch das Auto still legen.

Alles dass läuft über eine propritäre Mobilfunk Schnittstelle mit eigener SIM Karte. Nach drei Jahren muss man dafür richtig viel Geld zahlen oder das System deaktivieren lassen - damit ist es dann für immer tot, weil die SIM wohl endgültig gekillt wird.

Da ist ein Markt für da, in den drängt Apple, Google um eben noch mehr Daten über uns zu gewinnen und dann das passende Angebot aufs Display zu zaubern - nicht umsonst bezirzen die die Autoherstelle ihre Software doch im Auto gleich ab werk einzubauen und Apple / Google Dienste kostenlos (sic!) mit anzubieten. Ideal am besten den Bordrechner gleich mit echtzeitdaten an der Position über Wetter & Verkehr von denen versorgen, natürlich nur um Fahrwerk und Schaltung an die vereiste Kurve in 200 m anzupassen....

Es gibt genug Kunden die für 100 Euro Rabatt im Jahr ihren Fahrstil überwachen lassen wollen - nicht umsonst arbeiten die großen Versicherer an solchen Tarifen und entwickeln eigenen Black-Boxes oder Apps fürs Smartphone (aka Taschenwanze)

Da ist der eCall mit seiner "Ich schlafe bis zum Crash"-Logik noch echt harmlos.

Die Hardware um den Großen Bruder ins Auto zu lassen (starten dann nur mit golderner Kreditkarte, von der Knöllchen und Maut automatisch abgebucht werden) kostet vergleichsweise nix....ich hoffe unsere Autos halten noch lange...

[niwre77]

Erbärmliches, Korruptes Pack!

Mit jedem Jahr wird das Autofahren und der damit verbundene Nepp noch schlimmer.

[samy]

Kauf dir n E-Bike... äääähhhh vergiss es

[niwre77]

Ab 31.03.2018 ist ECall in allen neuen Pkw und KleinLkw Pflicht.
Daher die Frage:
Wie kann man dieses System deaktivieren?
Gerne Antwort auch per PM.

[TomB]

Falls es dann noch SIM Karten gibt, müsste ein entfernen dieser doch ausreichen, nicht? Ohne SIM kein einloggen ins Netzwerk. Ausser aber die Telefonanbieter werden verpflichtet solches auch ohne SIM gratis durch ihr Netz zu lassen.

[landcruiser]

Notruf ohne SIM geht nicht mehr.

Das Stichwort ist die "Dormant Sim", die erst im Fall des Falls "aufwacht".

Wenns denn so kommt ...

[niwre77]

Falls es dann noch SIM Karten gibt, müsste ein entfernen dieser doch ausreichen, nicht?

Es bleibt zu hoffen, dass es einem dann nicht die ganze Kiste lahm legt.
Klar, nur der Sicherheit zu liebe

[TomB]

Worst case könnte man einen GSM-Jammer danebenbauen. Nicht wirklich legal natürlich...

[Pioneer]

Worst case könnte man einen GSM-Jammer danebenbauen. Nicht wirklich legal natürlich...

Kommt man wenigstens nicht in Versuchung während der Fahrt zu telefonieren....

Ich würde die Antenne suchen und abdecken oder abklemmen ...

[kadze]

Sollen die feinen Herren mal machen. Bis ich ein Auto kaufe, das Baujahr 2018 oder jünger ist wird es noch eine Zeit gehen. Derzeit bin ich bei 1995, meine Frau bei 2000 angelangt

Was wir Verbraucher einfach nicht in unser Birne bekommen ist, dass wir es sind, die den größten Einfluss auf den Markt / das Angebot haben. Kein Wirtschaftsunternehmen produziert über einen längeren Zeitraum Waren, die keinen Absatz finden. Da kann die Politik noch so sehr mit den Aktenordnern wedeln.

[TomB]

Naja die Wahl des Käufers funktioniert aber leider nicht, wenn Behörden definieren welche Anforderungen das Angebotene erfüllen muss. Wie willst du das umgehen wenn du ab 2018 einen Neuwagen kaufen willst/musst?

[niwre77]

Seh ich ähnlich.
Die alten Mühlen rosten einem halt nur irgendwann unterm A..... weg und/oder dürfen nirgends mehr hinfahren.
Ausserdem hat nicht Jeder die Zeit und Möglichkeiten, einen uralten LC ewig am Leben zu erhalten.
So geht die Hintertür langsam aber sicher - leider - zu.
Kauf in Treu und Glauben war mal. Heute droht die kalte Enteignung und totale Kontrolle.

[thores]

Falls es dann noch SIM Karten gibt, müsste ein entfernen dieser doch ausreichen, nicht? Ohne SIM kein einloggen ins Netzwerk. Ausser aber die Telefonanbieter werden verpflichtet solches auch ohne SIM gratis durch ihr Netz zu lassen.

Der SIM-Kartenchip ist dann nach Applemanier onboard verlötet!

[fsk18]

Falls es dann noch SIM Karten gibt, müsste ein entfernen dieser doch ausreichen, nicht? Ohne SIM kein einloggen ins Netzwerk. Ausser aber die Telefonanbieter werden verpflichtet solches auch ohne SIM gratis durch ihr Netz zu lassen.

Notrufe gehen auch heute schon ohne SIM im Handy