Krasses Urteil

Für alles, was sonst nirgends reinpaßt...
George
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Krasses Urteil

Beitrag von George »

Wieder mal ein krasses Urteil zu einem ungewöhnlichen Verkehrsunfall, der jedem passieren könnte:

"Wer nicht innerhalb der Sichtweite bremsen kann, fährt zu schnell – un­abhängig von Verkehrsschildern und Tempolimiten."
Wer macht das nicht oder schleicht ihr nachts mit 50 km/h über die Autobahn?

Wie ein Opfer zum Täter verurteilt wird.

http://www.bernerzeitung.ch/region/bern ... y/18473364
http://www.20min.ch/schweiz/bern/story/ ... --27198413

Grüsse

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hecki
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von hecki »

:hier:

Sollen sie das nächtliche Tempo-Limit doch generell auf 60-70 km/h beschränken. Dann darf ich den Suizid-Kandidaten, der plötzlich im Lichtkegel auftaucht, innerhalb des Anhaltewegs (Reaktionszeit + Bremsweg) von ca. 50m Gesetzes-konform überfahren.

Der Fahrer tut mir leid. Sie hätte sich ja auch von einer der zahlreichen Brücken im Berner Oberland stürzen können. Werden deren Betreiber/Errichter dann auch zur Verantwortung gezogen?
Democracy must be something more than two wolves and a sheep
voting on what to have for dinner. (James Bovard)

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Ledesco
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von Ledesco »

Das ist ja nicht das einzige Urteil das einem sprachlos zurück lässt.

Hier ein weiteres Beispiel aus jüngster Vergangenheit:

https://www.blick.ch/news/schweiz/wegen ... 07410.html

https://www.blick.ch/news/schweiz/ostsc ... 76472.html

Interessant und auch meine Meinung wiedergebend ist der Kommentar am Schluss des Artikels.

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J9 Andy
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von J9 Andy »

Das Urteil ist schon krass!

Demnach steht auch jeder Lokführer ständig mit einem Bein im Knast.
Könnte ja sein hinter der nächsten Kurve liegt wieder einer auf den Schienen.
Und so ein Güterzug mit vielen 100 Tonnen bremst auch nicht mal eben.
Wie viele wurden denn da schon verurteilt?



„Wer nicht innerhalb der Sichtweite bremsen kann, fährt zu schnell – unabhängig von Verkehrsschildern und Tempolimiten.“

Ja.
Das ist so.
Punkt

Sichtweite = Sichtweite, da ist es egal ob Nacht, Starkregen, Schneefall, oder Nebel.

Provokant gefragt, wer fährt auch bei Nebel schneller als er sehen kann?
Auf jeden Fall die (bitte beliebiges Schimpfwort einfügen), die bei den üblichen Massenkarambolagen hinten drauf fahren.
Die haben es sich ehrlich verdient.


"Wer macht das nicht oder schleicht ihr nachts mit 50 km/h über die Autobahn?"

Da hänge ich viel zu sehr an meinem mickrigen Leben, als das ich so leichtsinnig bin.
Auch wenn ich höher Sitze als in einem normalen PKW.
Es gibt immer einen, der noch größer ist.


Wenn vor mir jemand fährt, dann merkt der evtl. Hindernisse zuerst, und ich kann hoffentlich noch bremsen.

Springt direkt vor mir etwas auf die Straße, dann habe ich Pech.

Kommt mir ein Auto entgegen, dann sehe ich dessen Scheinwerfer und auch den Straßenbelag, der manchmal auch etwas zu spiegeln scheint, bzw. dunkle Schatten wenn was drauf liegt.
Oder er warnt mit Lichthupe.
Oder ich habe Pech.


Und wenn vor mir niemand ist, dann gibt es zum Glück ja noch das Fernlicht.
Immer an, wenn es geht!

Als ich noch 2x täglich 50km gependelt bin habe ich mich immer gefragt, wie muss man drauf sein, um freiwillig mit, zum Teil schlecht eingestelltem, Abblendlicht 100km/h zu fahren?
Gruss Andy
---------------------------------------------
Trabant 601 => LandCruiser KZJ 90
...ein Quantensprung...
________________________________
Was Du nicht willst das man Dir tu´, das füg´auch keinem andern zu.

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RobertL
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Krasses Urteil

Beitrag von RobertL »

Also es gab in A im Jahr 2011 ein OGH Erkenntnis, welches sich genau mit dem Urteil in der Schweiz deckt wenn ich mich nicht irre. Allerdings gehts hier um fahren mit Abblendlicht.

Fährt ein Kraftfahrer bei Dunkelheit mit Abblendlicht, dann hat er, soweit nicht besondere Umstände die Sicht über die vom Abblendlicht erleuchtete Strecke hinaus ermöglichen (zB wenn die Fahrbahn durch vorausfahrende und entgegenkommende Fahrzeuge entsprechend ausgehellt wird), grundsätzlich mit einer Geschwindigkeit zu fahren, die ihm das Anhalten seines Fahrzeugs innerhalb der Reichweite des Abblendlichts gestattet


http://www.jusguide.at/index.php?id=88&tx_ttnews%5Btt_news%5D=4776

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RobertL
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von RobertL »

Das Gebot "Fahren auf Sicht" ist doch ein wesentlicher Bestandteil der StVO und muß doch immer gewährleistet sein, falls ich mich nicht irre. "Fahren auf Sicht" bedeutet, daß ich innerhalb der eingesehenen Strecke anhalten kann. Nicht mehr und nicht weniger sagt dieses Urteil aus, nämlich dass der Lenker nicht "auf Sicht gefahren" ist.

Was daran also krass sein soll erschließt sich mir nicht wirklich. Krass ist es im Blindflug, also "nicht auf Sicht", unterwegs zu sein. Ihr verdreht irgendwie die gesetzliche Ausgangslage.

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RobertL
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von RobertL »

Auch in D sollte man sich seit 1961 daran halten!! :bulb: :bulb:

Die Zeit hat geschrieben:Fahren auf Sicht
8. September 1961, 7:00 Uhr

Eine für alle Kraftfahrer besonders wichtige Entscheidung haben die Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs getroffen, dessen Kernsatz so lautet: „Der Kraftfahrer darf auch auf der Autobahn bei Dunkelheit nur so schnell fahren, daß er innerhalb der überschaubaren Strecke rechtzeitig halten kann.“ Das bedeutet, daß stets auf Sicht gefahren werden muß, die Geschwindigkeit also auch auf völlig leeren Straßen und auf der vielleicht unbelebten Autobahn so stark herabgesetzt werden muß, daß jederzeit gebremst werden kann, wenn ein unerwartetes Hindernis auftritt.

Mit plötzlich auftretenden Hindernissen muß immer und überall gerechnet werden. Es ist daher falsch, anzunehmen, daß es ein Recht zum Schnellfahren gäbe, wenn bestimmte Straßen erfahrungsgemäß wenig benutzt sind. Mit dieser immer wieder vorgetragenen Verteidigung fällt jeder böse herein.

An der Rechtsansicht der Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs kann keiner mehr vorbei, weil eine solche Grundsatzentscheidung fast wie ein Gesetz wirkt. Daher gilt es auch als grobe Fahrlässigkeit, wenn ein zu geringer Abstand zu dem voranfahrenden Kraftfahrzeug gehalten wird. Die Faustregel, daß mindestens soviel Meter Abstand sein müsse wie die eigene Geschwindigkeit betrage, wird von der Rechtsprechung unantastbar festgehalten. Für das Fahren auf der Autobahn gelten keine Ausnahmen, wie so oft irrtümlich angenommen wird.


http://www.zeit.de/1961/37/fahren-auf-sicht

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Weißer_Lux
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von Weißer_Lux »

Ich finde die Urteile auch total krass und nicht nachvollzieh bar (sofern es nicht noch irgendwo einen Haken gibt der da nicht aufgeführt wurde)

In Deutschland gibt es auch das Gesetzt in Sichtweite anhalten .
Also das heißt maximal 75 Km/h bei Dunkelheit ?
Auf Deutschen Autobahnen sind immer wieder Schilder zu sehen ,z.B. zwischen 22-6 Uhr max.120 Km/h (wird es in anderen Ländern auch bestimmt geben ?) Für was sind die dann ? Wenn man es in der Theorie nach eh nicht fahren darf ?

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RobertL
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von RobertL »

Wenn man deiner Argumentation folgt, kann man also so schnell fahren wie man möchte, egal ob man etwas sieht oder nicht. Wenn du dann über ein Hindernis drüber fährst ist das Hindernis schuld. Sehe ich das richtig?

Der Gesetzgeber sieht das anders, ich übrigens auch.

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Weißer_Lux
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von Weißer_Lux »

Falsch gefolgt ,
Denn für was gibt es denn Geschwindigkeits Begrenzungen ?

Ich bin mitten in der Nacht auch schon paar hunderte Kilometer gefahren, bei max 160 km/h , habe niemanden gefährdet und lebe immer noch ?

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RobertL
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von RobertL »

Eine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt als Höchstgeschwindigkeit bei optimalen Sicht- und Verkehrshältnissen. Und nicht als Vmax ohne wenn und aber. Zurück in die Fahrschule würde ich vorschlagen.

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Weißer_Lux
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von Weißer_Lux »

Da geb ich dir Recht , Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten bei guten Bedingungen , aber ob Dunkelheit dazu gehört ?
Oh wie gut das du auf meine Frage 3 und 4 Explizt drauf eingegangen bist!

Zum Eingangspost zurück , wenn man sich umbringen will , und sich entscheidet vorm Auto zu sterben dann packt man es auch wenn einer mit 75 Km/h über die Autobahn brettert, vermute ich ...

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1958
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von 1958 »

In Deutschland gibt es auch das Gesetzt in Sichtweite anhalten .Also das heißt maximal 75 Km/h bei Dunkelheit ?

von diese Idee her - wäre es auch den Ordnungshütern Möglich - Nachts zu Blitzen - da die Geschwindigkeit nicht im Verhältnis zur Sichtweite steht - und damit eine Verkehrsgefährdung vor liegt.

Und wer sich nicht angemessen dem Verkehr verhält, den darf die Polizei bestrafen.

:ka:
Die einzige Konstante ist die Veränderung - die Angst ist Ihr Begleiter.

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Reiti
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von Reiti »

Nein, andersherum aufzäumen.

160 oder mehr, in der Nacht, nichts passiert = angemessene Geschwindigkeit, weil eben nichts passiert ist.

Mit 100 oder weniger oder überhaupt jemand auf der Autobahn verletzt, unterliegst du der Gerichtsbarkeit. Vorwurf je nach Folge: Gefährliche Körperverletzung, evtl. mit Todesfolge. Je nach persönlichem Verhalten sind Steigerungen möglich.

Ein Freispruch oder eine Einstellung natürlich auch.

Wir reden über einen Grenzbereich. Ich persönlich glaube nicht, daß man mir mit 120 km/h mit gutem Licht nachts auf der Autobahn einen Vorwurf machen kann.
Der nächste Richter mag das anders sehen, der ist dazu noch frei in seinen Entscheidungen. Die Bandbreite differiert zwischen "Weisem" und "lebensfremden Anfänger".
Diese Bewertung ist rein subjektiv, anders kann das nicht sein.

"Ich kann eine Sache in bester Absicht gut machen oder ich kann sie gut machen." (Reiti :biggrin: )


Wenn wir mit dem Auto fahren, tragen wir ein Betriebsrisiko und sind dafür verantwortlich. Fährst du, w. o 160 und es passiert nichts, ist alles gut, angemessen gefahren.
Überfährst du den auf der Fahrbahn schlafenden Schützenkönig, hast du unabhängig von der Geschwindigkeit erst einmal ein strafrechtliches Problem.

Das ist rechtlich reichlich kommentiert.
Zusammengefasst ist das: Auto fahren ist gefährlich. Wer das nicht will, soll nicht fahren. Der Rest ist verantwortlich, für all das was tatsächlich passiert.

Mit Hindernissen ist zu rechnen. Jeder weiß aus dem Verkehrsfunk von Paletten, Schubkarren, verlorener Ladung, Fahrzeugteilen, was auch immer. Ob der liegende Suizident in Tarnkleidung auch dazu gehört, mögen andere diskutieren.

Bitte in diesem deutschsprachigem Forum Urteile aus den jeweiligen Staaten differenziert zu betrachten.

Auf Autobahnen in D haben wir kein Geschwindigkeitslimit, allerdings eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Das steigende Unfallrisiko darüberhinaus verantwortet der Fahrzeugführer. Also nicht über ausbleibende Versicherungsleistungen wundern.

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Hiasl
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Re: Krasses Urteil

Beitrag von Hiasl »

[quote="J9 Andy"]Das Urteil ist schon krass!

Demnach steht auch jeder Lokführer ständig mit einem Bein im Knast.
Könnte ja sein hinter der nächsten Kurve liegt wieder einer auf den Schienen.
Und so ein Güterzug mit vielen 100 Tonnen bremst auch nicht mal eben.
Wie viele wurden denn da schon verurteilt?


[/aquote]

Bei der Bahn funktioniert das etwas anders, es wird nicht auf Sicht gefahren, der folgende Streckenabschnitt ist frei von Zügen, dann ist es möglich mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit zu fahren. Bei dort vorhandenen nicht zu erwartenden Hindernissen muss ein Zug nicht anhalten können. Allerdings gibt es auch den Zustand des "Fahrens auf Sicht". In diesem Fall bekommt der Lokführer einen besonderen Auftrag (durch Signale oder einen schriftlichen Befehl). Das geschieht zum Beispiel bei Erkundungsfahrten nach einem Unwetter, bei Störungen an den Achszählern usw. Dabei sind für unterschiedliche Wetter- und Sichtbedingungen HÖCHSTgeschwindigkeiten vorgeschrieben (zwischen 40km/h und Schrittgeschwindigkeit) die es möglich machen vor einem Hindernis zum Stehen zu kommen.
Nur in dieser Situation ist der Lokführer verantwortlich für das Anhalten vor dem Hindernis. Bei einem Zuggewicht von z.B. 2500 Tonnen wäre alles andere auch Unfug.
Das eigentlich Schlimme an den Suizidgeschichten ist aber eigentlich, wie auch einmal mehr im oben genannten Fall, dass Unbeteiligte als unfreiwilliges Werkzeug eingesetzt werden, um die eigenen Wünsche umzusetzen, mit teilweise schwersten Folgen für die "Werkzeuge". Ein Kollege von mir hat mittlerweile 7 Kerben in seinem Vierkant, das ist innerhalb von ca. 30 Jahren im Fahrdienst schon eine erschreckende Bilanz.
Gruß Matthias
GRJ 76, vorher HZJ 71 und HZJ 78

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