Weingut 1

[Gerhard2]

Hi,

für die von euch, die sich ein wenig für Geschichte interessieren und es nicht offroad mit dem Auto sein muss, hier eine kleine Anregung für einen Tagesausflug.

Gegen Ende des 2. Weltkriegs hat das NS-Regime den Versuch unternommen, die Produktion für Krieggerät immer mehr unter die Erde zu verlegen, durch Bunkeranlagen oder in Bergwerken zu schützen. Eines dieser „Projekte“ der dunklen Vergangenheit Deutschlands ist im Mühldorfer Hart bei Ampfing zu finden, Deckname „Weingut 1“.
Als Außenstelle des Konzentrationslagers Dachau wurde unter unmenschlichen Bedingungen für die Häftlinge dieser Irrsinn errichtet und gegen Kriegsende von der US army gesprengt.

Mittlerweile hat sich die Natur wieder eine Menge des Geländes zurück erobert. Der Ort wurde viele Jahr sich selbst überlassen, die Aufarbeitung der Geschichte wurde erst in jüngerer Zeit gemacht.
Für die Menschen der Region dient die Waldfläche als Naherholungsgebiet.

(Teil 1)

[Gerhard2]

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Meine Fahrt beginnt also an einem schönen Sonntagvormittag. Die Sonne scheint, es ist warm und ich starte den FZJ80. Es geht über die Autobahn, vorbei am Gummiboot (Arroganz-Arena) und die Landstraße Richtung Mühldorf. Dass auf der Landstraße die Geschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt ist stört mich nicht. Ich habe den Tempomat gesetzt und der Reihensechser blubbert in verschiedenen Klängen vor sich hin. Der Automat wechselt dabei weich und unauffällig die Gänge. Ich habe es nicht eilig und mir im Sitz (ohne Schuhe) bequem gemacht.

Da ich nicht genau weiß, wo und wie, fahre ich den ersten Parkplatz an. Ein installierter Lageplan gibt genauen Aufschluss über das Gelände.

Nach dem Lesen km-Angabe zum Bunker brauche ich aber doch erst mal eine Stärkung. Ich beschließe dann aber den Weg zum Bunker ein wenig mit dem Landcruiser abzukürzen.

Mit dem GPS geht es quer durch den Wald zum ersten Ziel, der Bunkerruine.

(Teil 2)

[Gerhard2]

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Unterwegs fällt auf, dass dieser Wald eine Menge Löcher und Gruben hat, die wohl teilweise zugeschüttet werden.

Nach einiger Zeit taucht im Wald ein Wall auf. Dahinter zeigen sich die ersten düsteren Boten der Ruine, sowie ein Schild der Gemeindeverwaltung. Dieser Warnhinweis hat wohl in erster Linie die Aufgabe sich vor Schadensersatz zu schützen, denn bei jedem dieser Schilder ist der Weg dahinter besonders gut ausgelatscht.

Aufpassen sollte man aber wirklich, denn es gibt überall Hohlräume und Löcher im Boden.

(Teil 3)

[Gerhard2]

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Unweit der Ruine ist eine Unterkunft für die damaligen Zwangsarbeiter.

(Tei 4)

[Gerhard2]

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Danach geht es weiter zum Ort des ehemaligen Massengrabs. Wüsste man nicht, was für üble Geschichte dieser Ort hat, würde man es nie erraten. Besucher haben zum Gedenken eine Kerze an das Grab gestellt.

Zuletzt besuche ich die ehemalige Waldsiedlung, in der die Gefangenen gelebt haben. Neben den Überresten der Latrine, die als Infektionsquelle für die Menschen sehr gefährlich war, gibt es noch die Überreste der Hütten, sowie einige Gedenktafeln.

(Teil 5)

[Gerhard2]

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Heute ist an diesem Ort von den einstigen Schrecken nur noch sehr wenig zu spüren, wenn man nicht danach sucht. Besucht man diesen Ort, sollte man daher Neugierde mitbringen. Unsere Neugierde ist einer der wichtigsten Eigenschaften, um zu lernen und Fehler nicht zu wiederholen.

Zum Schluss noch GPS-Positionen zur Orientierung:

Parkplatz Weingut N48°13.178 O12°25.063
Parken 2 Weingut N48°14.990 O12°27.965
Massengräber Weingut N48°13.370 O12°25.684
Zwangsarbeit Weingut N48°14.131 O12°25.909
Bunkerruine Weingut N48°14.440 O12°27.133

Gruß
Gerhard

[DerAustralier]

höchstinteressant, genau mein ding
danke für den schönen bericht und den tip, muss ich mir mal angucken

[niwre77]

Sowas interessiert mich sehr. Sehr interessanter Bericht!

Hab mich da gleich mal schlau gemacht.
Im Weingut 1 sollte die Messerschmitt Me262 produziert werden, das erste in Serie gefertigte Flugzeug mit Strahltriebwerken. Nur wurde aber dort nichts daraus, weil die Anlage nicht mehr fertig wurde.
Letztlich wurde die "Wunderwaffe" dann im grössten unterirdischen Flugzeugwerk in St.Georgen / Gusen (Oberösterreich) im Objekt B8 Bergkristall gefertigt.

[DerAustralier]

http://rundblicker.homepage.t-online.de ... start.html

interessante schwenkpanoramas

[ochim1103]

Danke für den Beitrag, Gerhard2! So etwas lese ich immer wieder gerne; das ist leider ein deutsches Allgemeingut, das niemand vergessen darf.
Als meine Tochter 12 Jahre alt war, haben wir uns die Gedenkstätte Bergen-Belsen und später auch Neuengamme angesehen.

[Der Steppenwolf]

Hallo Gerhard,

danke für den informativen und interessanten Bericht.
Schade, dass alles so verfallen ist.

Grüße, auch die "Fliege"

Martin

[Gerhard2]

Hi,

...Grüße, auch die "Fliege"

Martin

Danke, ist angekommen, sie hat sich gefreut.

Wer noch ein wenig Info zum Weingut möchte, wird u.a. hier fündig.
http://www.kz-gedenk-mdf.de/vergangenheit

Gruß
Gerhard

[niwre77]

Die Beschreibung der Bauweise der Betonbögen ist hoch interessant. Dieses Verfahren war mir unbekannt.
Wieso dieses Bauwerk nach dem Krieg von den Amis unbedigt gesprengt werden musste, verstehe ich nicht.
Sowas sollte doch der Nachwelt erhalten bleiben.

[Gerhard2]

Hi,

1945 zeigte sich, dass die UdSSR, der Große Verbündete der USA, GB, F nicht "ganz sooo der Hit" ist, was die Verhandlungen in Berlin ja auch untermauert haben. Die Westmächte waren also ein wenig in der Zwickmühle. Zum einen wollte man zunächst ein starkes Deutschland als Agrarstaat, später als NATO-Partner, zum anderen durfte Deutschland auf keinen Fall mehr zum Kriegstreiber anvancieren. Erst später kam es zur Wiederbewaffnung und Gründung der Bundeswehr. (So ist es dann ja auch zum Wettrüsten im Kalten Krieg gekommen, mit dem Höhepunkt Kubakrise.) Also hat man vorsorglich mal so ein Weingut ein bischen gesprengt. An Mahnmale für die Nachwelt hat da sicher niemand gedacht und wozu brauchte ein Agrarstaat Industriehallen?

An anderen Orten war man nicht so konsequent. Die berühmte Munitionsfabrik in Neu-Gablonz wurde nahezu verschont. Man hat da zwar auch mal ein bischen Poff gemacht, konnte damit die Bunker aber nicht sprengen. Eine ausreichende Bombe hätte die Stadt ausradiert.
Daher kann bei Interesse heute 1x im Monat eine Bunkerbesichtigung gemacht werden.
Guckst du hier:
http://www.kaufbeuren-tourismus.de/fuehrungen/altstadt-und-neugablonz.html
Info:
http://www.youtube.com/watch?v=w3_v71ga-HQ

Die heute sehr gut aufgearbeitete Geschichte von Dachau wurde ja auch nicht sofort nach dem Krieg angegangen. Hingegen das Landschulheim der Stadt München "Rohrauerhaus", das auch zum KZ Dachau gehörte existiert heute überhaupt nicht mehr.

Gruß
Gerhard

[niwre77]

1945 zeigte sich, dass die UdSSR, der Große Verbündete der USA, GB, F nicht "ganz sooo der Hit" ist, was die Verhandlungen in Berlin ja auch untermauert haben. Die Westmächte waren also ein wenig in der Zwickmühle. Zum einen wollte man zunächst ein starkes Deutschland als Agrarstaat, später als NATO-Partner, zum anderen durfte Deutschland auf keinen Fall mehr zum Kriegstreiber anvancieren. Erst später kam es zur Wiederbewaffnung und Gründung der Bundeswehr. (So ist es dann ja auch zum Wettrüsten im Kalten Krieg gekommen, mit dem Höhepunkt Kubakrise.) Also hat man vorsorglich mal so ein Weingut ein bischen gesprengt. An Mahnmale für die Nachwelt hat da sicher niemand gedacht und wozu brauchte ein Agrarstaat Industriehallen?

Klingt plausibel, Gerhard.

Das Projekte des dritten Reiches durchaus sinnvoll genützt werden können, zeigt dieses Beispiel:
http://www.haus-des-meeres.at/de/Flakturm.html

Da ja heute schon fast alles aufgearbeitet ist, wärs auch höchste Zeit, dass die Allierten die Bombenangriffe auf Dresden endlich als Kriegsverbrechen klassifizierten.
Aber die Sieger schreiben halt die Geschichte.