Tassili hat geschrieben:es gibt im Recht unbesimmte Rechtsbegriffe wie "Stand der Technik" oder "Produkt mittlerer Art und Güte" und da wird sich ein Richter praktisch immer auf die einschlägigen Normenwerke zurückziehen. Die heissen nicht zu unrecht "gesetzesähnliche Bestimmungen"
Ganz so einfach ist es nicht: Die von Dir bemühten Normenwerke (DIN, ISO etc.) sind erstmal nur dann anwendbar, wenn ein Gesetz auf diese ausdrücklich verweist. Im Übrigen ziehen Gerichte diese Normen in Verfahren auf dem Gebiet des Mängelgewährleistungsrechts sowie des Delikts- und Produkthaftungsrechts heran, um zu beurteilen, ob der Hersteller die allgemein anerkannten Regeln der Technik (nicht Stand der Technik!) beachtet und somit die verkehrsübliche Sorgfalt eingehalten hat. Normen sind damit in der Regel Empfehlungen, deren Einhaltung für Unternehmer im Hinblick auf mögliche Haftungsfälle eine gewisse Rechtssicherheit darstellt. [Quelle:
https://www.din.de/de/ueber-normen-und- ... rch-normen]
Daraus leiten sich zwei wesentliche Erkenntnisse ab, die Deinen Ausführungen in Bezug auf die deutsche Rechtsordnung widersprechen:
1. Die von Dir bemühten DIN- und somit auch die ISO-Normen entfalten grundsätzlich nur im Zivilrecht, zu dem im Übrigen auch das Produkthaftungsrecht als Teil des Deliktsrechts zählt, Wirkung, nicht dagegen im Strafrecht.
2. Nur bei einem ausdrücklichen Verweis einer GESETZESnorm auf eine DIN- oder ISO-Norm kann letzgenannter Gesetzescharakter beigemessen werden.
Tassili hat geschrieben:Bei der Produkthaftung - durch nicht Beachtung des Standes der Technik anderen zugefügte Schäden an Leib, Leben Vermögen, da sind wir mitten im Strafrecht und nicht nur im Zivilrecht.
Diese Aussage stimmt, jedenfalls bezüglich der deutschen Rechtsordnung nicht: Das Produkthaftungsrecht ist Bestandteil des Zivilrechts und nicht des Strafrechts.
Die Produkthaftung bezeichnet die Haftung auf Schadensersatz gegen den Hersteller für Schäden, die beim Endabnehmer infolge eines fehlerhaften Produkts entstanden sind.[Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Produkthaftung]
Tassili hat geschrieben:Wer sein Auto nachträglich umbaut, der tritt hier neben dem OEM in die Prordukthaftung ein [...]
Das sieht das deutsche Produkthaftungsgesetz aber nicht vor: Nach § 4 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG ist derjenige Hersteller, der das Endprodukt, ein Teilprodukt oder einen Grundstoff herstellt. Dafür reicht aber die alleinige Klassifizierung als Hersteller nicht aus, ein Produkt körperlich erstellt zu haben; vielmehr muss eine Leistung feststellbar sein, die zu einer Produktverantwortung führt. Die Herstellereigenschaft ist nur für diejenige natürliche oder juristische Person zu bejahen, die in Eigenverantwortung und mit konstruktionsmäßigem Spielraum auf das Produkt Einfluss nehmen kann. Denn der Schutzzweck des Produkthaftungsgesetzes ist der Schutz vor dem Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produkts durch denjenigen, in dessen Sphäre und Einflussbereich der Fehler durch Konstruktion, Instruktion oder Fabrikation passiert ist. Wenn also z.B. der Vertragshändler lediglich einzelne Teile auf Anleitung des Herstellers zusammenfügt und die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Gesamtsache nicht wesentlich beeinflusst, wird ein eigenständiger Herstellungsbeitrag gerade nicht erbracht und es wird keine Herstellereigenschaft begründet (vgl. Oberlandesgericht Hamm 7 U 84/15).
Und im Übrigen ist wesentliche Voraussetzung einer Haftung als Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes, dass der Hersteller das fehlerhafte Produkt "in den Verkehr bringt", wobei Verkehr hier nicht den Straßenverkehr, sondern den allgemeinen Rechtsverkehr meint. Der Hersteller muss das Produkt also letztlich an einen Endabnehmer veräußern und erst hiernach muss sich der Schaden aufgrund des Produktfehlers beim Endabnehmer oder einem unbeteiligten Dritten realisieren. Selbst wenn also der Bastler als Hersteller seines Fahrzeugs neben dem OEM zu bewerten wäre, würde er das Produkt nach seiner Inverkehrbringung durch den OEM ändern und nach Veränderung nicht nochmals selbst in den Verkehr im Sinne des Produkthaftungsrechts bringen. Der Bastler in dem von Dir geschilderten Fall behält sein Fahrzeug bis zum Schadenseintritt selbst und veräußert es nicht weiter.
Tassili hat geschrieben:Die Juristen des OEM werden da sehr akribisch sein aufzuzeigen. welche Ursache der Schaden hatte und wer der Verursacher war
Das mag sein, jedoch führt dies nicht zwangsläufig zur Haftung des Bastlers als Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes, siehe vorstehende Ausführungen.
Tassili hat geschrieben:Versicherungen haften maximal für einfache Fahrlässigkeit. Bei grober Fahrlässigkeit hört die Kulanz auf[...]
Das stimmt auch nicht: Im Rahmen der Kfz-Haftpflicht haftet der Versicherer des Fahrzeugs dem Geschädigten gegenüber sogar in bestimmten Fällen der groben Fahrlässigkeit voll. Der insoweit einschlägige § 152 VVG stellt den Versicherer nur bei (bedingt) vorsätzlichen Handeln des Versicherungsnehmers von der Leistung frei.
Tassili hat geschrieben:und Versicherungen sind extrem gut darin Schadenersatzansprüche abzulehnen
Das stimmt!
Tassili hat geschrieben: und haben gute Rechtsanwälte
Das stimmt in vielen Fällen, häufig aber auch nicht, insbesondere weil die Versicherer bzw. deren Sachbearbeiter auf Basis irrigen Rechtsverständnisses dem guten Anwalt blödsinnige Anweisungen zum eigenen Vortrag im Gerichtsverfahren geben.
Gruß
Florian
'86er-HJ61, 450tkm, OME schwer, 35x12,5R15 auf 8,5x15 ET -35, pneumatische gesteuerte HA-Sperre, 80mm Bodylift, optimiertes Verdichterrad, Recaros m. Schwingkonsolen, Aufstelldach u. Innenausbau, div. Zusatzinstrumente, 3"-Abgasanlage inkl. Eigenbau-turbine-outlet, Sidepipe