Massetrennschalter

Alles technische, was sonst nirgends paßt
Lender
Beiträge: 1064
Registriert: Mo 12. Nov 2018, 14:25

Re: Massetrennschalter

Beitrag von Lender »

Letzter Beitrag der vorhergehenden Seite:

GRJ78 hat geschrieben:Cool! Kann mir wer sowas zusammenbauen?

VG Flo


Wenn Geld keine Rolle spielt, gerne! ;)
Gruess Leon

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Tassili
Beiträge: 304
Registriert: Do 30. Sep 2021, 09:55

Re: Massetrennschalter

Beitrag von Tassili »

Im Grunde genommen ist das keine Raketenwissenschaft. Ich glaube, das bekommt ein Elektronikgastler hin. Nehmt dabei bitte aber den Hinweis erst, dass es bei Parallelschaltung von FETs auf current balancing ankommt.

Auch da kann man mit ziemlich dummen und billigen Sensoren hingucken. Etwa die Shunts von der Isabellenhütte.

Es gibt inzwischen aus der Elektrofahrzeugbranche auch tolle Dinger auf SiC-Basis, die unlaublich robust sind und locker als Einzelbauteil 1 kA wegstecken. Wenn Ihr da Bedarf habt gerne PM ich schicke Datenblätter

Bei EV habt Ihr nämlich genau das Problem in der Ladeschnittstelle: Wie baue ich eine sicheren Trennschalter, der ISO26262 genügt?

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
niap
Beiträge: 260
Registriert: Sa 18. Jun 2016, 18:33
Wohnort: München Süd

Re: Massetrennschalter

Beitrag von niap »

Tassili hat geschrieben:Im Grunde genommen ist das keine Raketenwissenschaft. Ich glaube, das bekommt ein Elektronikgastler hin. Nehmt dabei bitte aber den Hinweis erst, dass es bei Parallelschaltung von FETs auf current balancing ankommt.

Auch da kann man mit ziemlich dummen und billigen Sensoren hingucken. Etwa die Shunts von der Isabellenhütte.

Es gibt inzwischen aus der Elektrofahrzeugbranche auch tolle Dinger auf SiC-Basis, die unlaublich robust sind und locker als Einzelbauteil 1 kA wegstecken. Wenn Ihr da Bedarf habt gerne PM ich schicke Datenblätter

Bei EV habt Ihr nämlich genau das Problem in der Ladeschnittstelle: Wie baue ich eine sicheren Trennschalter, der ISO26262 genügt?


MOSFETs haben ein PTC in der Ohmic region, sie thermisch zu koppeln ist also kontraproduktiv. RDSON schwankt je nach Typ um die +20/-20% das heisst wenn man die Gesamtstromkapazität ausreichend dimensioniert braucht es keine Stromregelung.

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Lender
Beiträge: 1064
Registriert: Mo 12. Nov 2018, 14:25

Re: Massetrennschalter

Beitrag von Lender »

Halbleiter sind oft NTC, ob das auch bei MOSFETs der Fall ist kann ich gerade nicht sagen. Besonders bei NTC-verhalten müssen die Thermisch gut verbunden sein, sonst geht es sehr schnell in einen thermal runaway von einem Bauteil. Aber auch bei PTC ist es vorteilhaft, da man ja die Bauteile möglichst identisch haben will. Wenn nun einer heiss wird und die anderen nicht, dann wird der Unterschied grösser. Man könnte sie auch thermisch isolieren um so eine art Lastenausgleich (nur bei PTC möglich) zu erreichen. Ich würde sie jedoch thermisch gut verbinden und dann über einen Temperatursensor abschalten.
Gerade in der Masseverbindung würde ich keine PWM-Steuerung nutzen, da du dann entweder ein sehr gutes System zur Filterung benötigst oder du sonst massiv Transienten ins System Bringst. Das wird dann kein Steuergerät gerne haben.
Ob ein Si oder SiC-Chip drin ist, bei DC werden die Anschlüsse die Engstelle sein. Diese sind auf hochfrequentes Schalten ausgelegt, da fliesst der Strom primär auf der Oberfläche und nicht im Leiter. Bei DC kommt aber der Querschnitt wesentlich zum tragen. Ob der Chip nun 250A oder 1000A schalten kann spielt dann eine untergeordnete Rolle. Wenn die Leitungen nur ein paar mm2 Querschnitt haben, wird es dort eng. Daher besser mehrere mit gleichem RdsOn parallel als einer mit SiC.

Langsam wird es aber sehr OT :think:
Gruess Leon

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Tassili
Beiträge: 304
Registriert: Do 30. Sep 2021, 09:55

Re: Massetrennschalter

Beitrag von Tassili »

Wir sind da im Grunde bei extrem spannenden Themen, die auch legal sichereitsrelevant sind. Ich habe ISO26262 als Grundlagennorm für KFz zitiert und würde mich bei der Selbstbaulösung fragen. "Wo ist mein Notabschaltpfad?"


Macht Euch bitte auch als Heimwerker nichts vor. Eine Versicherung wird jede Zahlung für Lösungen verweigern, die nicht dem Stand der Technik entsprechen und wenn es zu Personenschäden kommt, der Staatsanwalt wird richtig intensive Fragen stellen

Auch bei DIY sollte Mann (Frau) inzwischen ein paar Normenwerke im Kopf haben

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Benutzeravatar
HJ61-Freak
Beiträge: 5196
Registriert: Di 6. Nov 2007, 21:58
Wohnort: Weiterstadt

Re: Massetrennschalter

Beitrag von HJ61-Freak »

Tassili hat geschrieben:Ich habe ISO26262 als Grundlagennorm für KFz zitiert [...]

Macht Euch bitte auch als Heimwerker nichts vor.

Das sehe ich anders, für den Heimwerker hat die ISO 26262 keinerlei Relevanz:

"Die Umsetzung der Norm soll die funktionale Sicherheit eines Systems mit elektrischen/elektronischen Komponenten im Kraftfahrzeug gewährleisten. Damit ist die Norm eine Anpassung der IEC 61508 an die spezifischen Gegebenheiten im Automobilbereich. Im Fokus der Norm liegen Serienfahrzeuge (Pkw), Lkw, Busse, Anhänger mit Steuergeräten und Motorräder, nicht jedoch Prototypen, Rennfahrzeuge oder Spezialfahrzeuge für Behinderte. Die Norm ist nicht anwendbar auf Systeme, die vor der ersten Ausgabe 2011 entwickelt wurden. Die Anwendung der Norm ist freiwillig, aber in der Praxis verlangen fast alle Automobilhersteller von ihren Zulieferern die Anwendung in neuen Projekten, um für Aufträge nominiert zu werden."
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/ISO_26262

Tassili hat geschrieben:Eine Versicherung wird jede Zahlung für Lösungen verweigern, die nicht dem Stand der Technik entsprechen und wenn es zu Personenschäden kommt, der Staatsanwalt wird richtig intensive Fragen stellen

Da stellt sich mir die Frage, welcher potentielle Versicherungsvertrag denn tangiert sein könnte? Eine zum vorliegenden Sachverhalt passende Strafnorm, bei deren Erfüllung eine Aktion des Staatsanwalts ausgelöst werden könnte, ist mir auch nicht präsent.

Tassili hat geschrieben:Auch bei DIY sollte Mann (Frau) inzwischen ein paar Normenwerke im Kopf haben

Außer der StVZO fällt mir für den deutschen Heimwerker am Kfz eigentlich nichts ein.

Gruß

Florian
'86er-HJ61, 450tkm, OME schwer, 35x12,5R15 auf 8,5x15 ET -35, pneumatische gesteuerte HA-Sperre, 80mm Bodylift, optimiertes Verdichterrad, Recaros m. Schwingkonsolen, Aufstelldach u. Innenausbau, div. Zusatzinstrumente, 3"-Abgasanlage inkl. Eigenbau-turbine-outlet, Sidepipe

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Tassili
Beiträge: 304
Registriert: Do 30. Sep 2021, 09:55

Re: Massetrennschalter

Beitrag von Tassili »

Du kannst im Automobilbereich technische Regelwerke gar nicht ernst genug nehmen. Das Recht - sowohl das Zivilrecht (Haftung) wie das Strafrecht hat das den unbestimmten Begriff "Stand der Technik" Ein Richter wird da im Zweifelsfalle die Normenwerke zu Rate ziehen.

Triviales Beispiel: Unqualifizierte Elektroinstallation in einem Auto. Das Auto brennt in einer Tiefgarage ab ab es kommt zu Personenschäden und massiven Sachschäden.

Der Fahrer hat da gleich drei Probleme auf einmal am Hals

Seine Versicherung die wegen grober Fahrlässigkeit jede Zahlung verweigert
Den Zivilrichter der ihn zu vollem Schadensersatz verurteilt
Den Strafrichter ....

Bitte, bitte bitte, nehmt Sicherheitsnormen wie die ISO26262 ernst! Der Richter fragt nach dem Stand der Technik, nicht nach Eurem Können als Bastler! Ein Blick in die Norm und mal gucken auf welchem ASIL-Level ich da unterwegs bin und was ich tun muss, dass ist ja nun auch keine Raketenwissenschaft.

Ich habe gerade in Reisemobilen schon soviel grottenschlechte DIY Elektroinstallation mit viel zu dünnen Kabelquerschnitten und unzulässiger Absicherung gesehen. Das Protokoll des technischen Sachverständigen hätte ich nicht lesen mögen!

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Benutzeravatar
HJ61-Freak
Beiträge: 5196
Registriert: Di 6. Nov 2007, 21:58
Wohnort: Weiterstadt

Re: Massetrennschalter

Beitrag von HJ61-Freak »

Tassili hat geschrieben:Das Recht - sowohl das Zivilrecht (Haftung) wie das Strafrecht hat das den unbestimmten Begriff "Stand der Technik"

Bzgl. Zivilrecht, insbesondere Baurecht stimme ich Dir zu; im Strafrecht gibt es diesen Begriff nicht bzw. er wird dort von den Juristen meiner Kenntnis nach nicht bemüht.

Tassili hat geschrieben:Ein Richter wird da im Zweifelsfalle die Normenwerke zu Rate ziehen.

Ein Richter / eine Richterin in Deutschland wird immer nur auf Basis einer oder mehrerer Normen entscheiden. Allerdings sind Normen insoweit ausschließlich Gesetzesnormen und damit keinesfalls DIN- oder ISO-Bestimmungen. DIN- oder ISO-Normen werden allenfalls vom Richter berücksichtigt, um senkundäre Fragen im Zusammenhang mit der Erfüllung des objektiven Tatbestands sowie des Verschuldens zu klären.

Tassili hat geschrieben:Seine Versicherung die wegen grober Fahrlässigkeit jede Zahlung verweigert

Nochmals meine Frage: Welche Versicherungsleistung meinst Du? Die Kfz-Haftpflicht, die Privathaftpflicht oder welche andere Versicherung?

Tassili hat geschrieben:Den Strafrichter ....

Eine Sachbeschädigung scheidet aus, da reine Vorsatztat. Bleibt die fahrlässige Körperverletzung. Deren Rechtsfolge ist bei einem nicht einschlägig vorbestraften Deliquenten sehr überschauhbar, da dieser Straftatbestand z.B. bei jedem Verkehrsunfall mit Personenschaden erfüllt wird. Das wird als Strafe eine Geldstrafe von maximal 90 Tagessätzen rumkommen.

Was dem Bastler durch ein Gericht eher vorgeworfen wird ist der Umstand, dass er als nicht in diesem Bereich ausgebildete Person überhaupt selbst Hand an sein Fahrzeug und dessen komplexe Technik angelegt hat und zwar unabhängig davon, ob er dabei die einschlägigen DIN- oder ISO-Bestimmungen erfüllt hat oder nicht. Das Haftungsproblem setzt also aus juristischer Sicht viel früher bzw. deutlich niedrigschwelliger ein.

Gruß

Florian
'86er-HJ61, 450tkm, OME schwer, 35x12,5R15 auf 8,5x15 ET -35, pneumatische gesteuerte HA-Sperre, 80mm Bodylift, optimiertes Verdichterrad, Recaros m. Schwingkonsolen, Aufstelldach u. Innenausbau, div. Zusatzinstrumente, 3"-Abgasanlage inkl. Eigenbau-turbine-outlet, Sidepipe

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Tassili
Beiträge: 304
Registriert: Do 30. Sep 2021, 09:55

Re: Massetrennschalter

Beitrag von Tassili »

Ganz so einfach ist es leider nicht Florian,

es gibt im Recht unbesimmte Rechtsbegriffe wie "Stand der Technik" oder "Produkt mittlerer Art und Güte" und da wird sich ein Richter praktisch immer auf die einschlägigen Normenwerke zurückziehen. Die heissen nicht zu unrecht "gesetzesähnliche Bestimmungen"

Bei der Produkthaftung - durch nicht Beachtung des Standes der Technik anderen zugefügte Schäden an Leib, Leben Vermögen, da sind wir mitten im Strafrecht und nicht nur im Zivilrecht. Wer sein Auto nachträglich umbaut, der tritt hier neben dem OEM in die Prordukthaftung ein und sollte sich dessen bewusst sein.Die Juristen des OEM werden da sehr akribisch sein aufzuzeigen. welche Ursache der Schaden hatte und wer der Verursacher war

Versicherungen haften maximal für einfache Fahrlässigkeit. Bei grober Fahrlässigkeit hört die Kulanz auf und Versicherungen sind extrem gut darin Schadenersatzansprüche abzulehnen und haben gute Rechtsanwälte

Wer an seinem ESP rumbastelt oder sich einen Fahrgeschwindigkeitsregler nachträglich selber einbaut, dem sollte klar sein dass er hier im Minimum auf dem Level ASIL-B unterwegs ist.

Da würde ich jede Änderung dreimal nachrechnen und die Rechnung mit Referenz auf die einschlägigen technischen Regelwerkesauber dokumentieren.

Selbst scheinbarer Kleinkram wie mal schnell eine Strippe gezogen. Das Ding ist 0,5 mm² 8 m lang und wurde im Sicherungskasten von einer 40A-Sicherung abgezweigt. Was würde der technische Sachverständige im Brandfall wohl sagen?

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Benutzeravatar
thores
Beiträge: 11117
Registriert: Mo 26. Jan 2004, 13:52
Kontaktdaten:

Re: Massetrennschalter

Beitrag von thores »

Tassili hat geschrieben:Ganz so einfach ist es leider nicht Florian, ...


Es ist zwar nett, dass Du Florian gerne die rechtliche Situation erläutern möchtest, aber ich glaube, er braucht da keine „Nachhilfe“.

Es geht übrigens um Massetrennschalter ...
Grüße aus der Wetterau
Thomas

Bild

Wolper - Blog

Search. Drive. Smile.

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Benutzeravatar
Peter_G
Beiträge: 6632
Registriert: Mo 13. Aug 2012, 13:52
Wohnort: Jena

Re: Massetrennschalter

Beitrag von Peter_G »

thores hat geschrieben:
Tassili hat geschrieben:Ganz so einfach ist es leider nicht Florian, ...


Es ist zwar nett, dass Du Florian gerne die rechtliche Situation erläutern möchtest, aber ich glaube, er braucht da keine „Nachhilfe“.

Es geht übrigens um Massetrennschalter ...


Es ist nett, dass Du nett sagst.
ProAce City L1 1.5 D 75 Ps

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Benutzeravatar
HJ61-Freak
Beiträge: 5196
Registriert: Di 6. Nov 2007, 21:58
Wohnort: Weiterstadt

Re: Massetrennschalter

Beitrag von HJ61-Freak »

Tassili hat geschrieben:es gibt im Recht unbesimmte Rechtsbegriffe wie "Stand der Technik" oder "Produkt mittlerer Art und Güte" und da wird sich ein Richter praktisch immer auf die einschlägigen Normenwerke zurückziehen. Die heissen nicht zu unrecht "gesetzesähnliche Bestimmungen"

Ganz so einfach ist es nicht: Die von Dir bemühten Normenwerke (DIN, ISO etc.) sind erstmal nur dann anwendbar, wenn ein Gesetz auf diese ausdrücklich verweist. Im Übrigen ziehen Gerichte diese Normen in Verfahren auf dem Gebiet des Mängelgewährleistungsrechts sowie des Delikts- und Produkthaftungsrechts heran, um zu beurteilen, ob der Hersteller die allgemein anerkannten Regeln der Technik (nicht Stand der Technik!) beachtet und somit die verkehrsübliche Sorgfalt eingehalten hat. Normen sind damit in der Regel Empfehlungen, deren Einhaltung für Unternehmer im Hinblick auf mögliche Haftungsfälle eine gewisse Rechtssicherheit darstellt. [Quelle: https://www.din.de/de/ueber-normen-und- ... rch-normen]

Daraus leiten sich zwei wesentliche Erkenntnisse ab, die Deinen Ausführungen in Bezug auf die deutsche Rechtsordnung widersprechen:

1. Die von Dir bemühten DIN- und somit auch die ISO-Normen entfalten grundsätzlich nur im Zivilrecht, zu dem im Übrigen auch das Produkthaftungsrecht als Teil des Deliktsrechts zählt, Wirkung, nicht dagegen im Strafrecht.

2. Nur bei einem ausdrücklichen Verweis einer GESETZESnorm auf eine DIN- oder ISO-Norm kann letzgenannter Gesetzescharakter beigemessen werden.

Tassili hat geschrieben:Bei der Produkthaftung - durch nicht Beachtung des Standes der Technik anderen zugefügte Schäden an Leib, Leben Vermögen, da sind wir mitten im Strafrecht und nicht nur im Zivilrecht.

Diese Aussage stimmt, jedenfalls bezüglich der deutschen Rechtsordnung nicht: Das Produkthaftungsrecht ist Bestandteil des Zivilrechts und nicht des Strafrechts. Die Produkthaftung bezeichnet die Haftung auf Schadensersatz gegen den Hersteller für Schäden, die beim Endabnehmer infolge eines fehlerhaften Produkts entstanden sind.
[Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Produkthaftung]

Tassili hat geschrieben:Wer sein Auto nachträglich umbaut, der tritt hier neben dem OEM in die Prordukthaftung ein [...]

Das sieht das deutsche Produkthaftungsgesetz aber nicht vor: Nach § 4 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG ist derjenige Hersteller, der das Endprodukt, ein Teilprodukt oder einen Grundstoff herstellt. Dafür reicht aber die alleinige Klassifizierung als Hersteller nicht aus, ein Produkt körperlich erstellt zu haben; vielmehr muss eine Leistung feststellbar sein, die zu einer Produktverantwortung führt. Die Herstellereigenschaft ist nur für diejenige natürliche oder juristische Person zu bejahen, die in Eigenverantwortung und mit konstruktionsmäßigem Spielraum auf das Produkt Einfluss nehmen kann. Denn der Schutzzweck des Produkthaftungsgesetzes ist der Schutz vor dem Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produkts durch denjenigen, in dessen Sphäre und Einflussbereich der Fehler durch Konstruktion, Instruktion oder Fabrikation passiert ist. Wenn also z.B. der Vertragshändler lediglich einzelne Teile auf Anleitung des Herstellers zusammenfügt und die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Gesamtsache nicht wesentlich beeinflusst, wird ein eigenständiger Herstellungsbeitrag gerade nicht erbracht und es wird keine Herstellereigenschaft begründet (vgl. Oberlandesgericht Hamm 7 U 84/15).

Und im Übrigen ist wesentliche Voraussetzung einer Haftung als Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes, dass der Hersteller das fehlerhafte Produkt "in den Verkehr bringt", wobei Verkehr hier nicht den Straßenverkehr, sondern den allgemeinen Rechtsverkehr meint. Der Hersteller muss das Produkt also letztlich an einen Endabnehmer veräußern und erst hiernach muss sich der Schaden aufgrund des Produktfehlers beim Endabnehmer oder einem unbeteiligten Dritten realisieren. Selbst wenn also der Bastler als Hersteller seines Fahrzeugs neben dem OEM zu bewerten wäre, würde er das Produkt nach seiner Inverkehrbringung durch den OEM ändern und nach Veränderung nicht nochmals selbst in den Verkehr im Sinne des Produkthaftungsrechts bringen. Der Bastler in dem von Dir geschilderten Fall behält sein Fahrzeug bis zum Schadenseintritt selbst und veräußert es nicht weiter.

Tassili hat geschrieben:Die Juristen des OEM werden da sehr akribisch sein aufzuzeigen. welche Ursache der Schaden hatte und wer der Verursacher war

Das mag sein, jedoch führt dies nicht zwangsläufig zur Haftung des Bastlers als Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes, siehe vorstehende Ausführungen.

Tassili hat geschrieben:Versicherungen haften maximal für einfache Fahrlässigkeit. Bei grober Fahrlässigkeit hört die Kulanz auf[...]

Das stimmt auch nicht: Im Rahmen der Kfz-Haftpflicht haftet der Versicherer des Fahrzeugs dem Geschädigten gegenüber sogar in bestimmten Fällen der groben Fahrlässigkeit voll. Der insoweit einschlägige § 152 VVG stellt den Versicherer nur bei (bedingt) vorsätzlichen Handeln des Versicherungsnehmers von der Leistung frei.

Tassili hat geschrieben:und Versicherungen sind extrem gut darin Schadenersatzansprüche abzulehnen

Das stimmt!

Tassili hat geschrieben: und haben gute Rechtsanwälte

Das stimmt in vielen Fällen, häufig aber auch nicht, insbesondere weil die Versicherer bzw. deren Sachbearbeiter auf Basis irrigen Rechtsverständnisses dem guten Anwalt blödsinnige Anweisungen zum eigenen Vortrag im Gerichtsverfahren geben.

Gruß

Florian
'86er-HJ61, 450tkm, OME schwer, 35x12,5R15 auf 8,5x15 ET -35, pneumatische gesteuerte HA-Sperre, 80mm Bodylift, optimiertes Verdichterrad, Recaros m. Schwingkonsolen, Aufstelldach u. Innenausbau, div. Zusatzinstrumente, 3"-Abgasanlage inkl. Eigenbau-turbine-outlet, Sidepipe

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
niap
Beiträge: 260
Registriert: Sa 18. Jun 2016, 18:33
Wohnort: München Süd

Re: Massetrennschalter

Beitrag von niap »

Tassili hat geschrieben:Selbst scheinbarer Kleinkram wie mal schnell eine Strippe gezogen. Das Ding ist 0,5 mm² 8 m lang und wurde im Sicherungskasten von einer 40A-Sicherung abgezweigt. Was würde der technische Sachverständige im Brandfall wohl sagen?


Er würde wahrscheinlich sagen: Dieses Problem hat nichts mit funktionaler Sicherheit zu tun.

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Tassili
Beiträge: 304
Registriert: Do 30. Sep 2021, 09:55

Re: Massetrennschalter

Beitrag von Tassili »

HJ61-Freak hat geschrieben:
Tassili hat geschrieben:es gibt im Recht unbesimmte Rechtsbegriffe wie "Stand der Technik" oder "Produkt mittlerer Art und Güte" und da wird sich ein Richter praktisch immer auf die einschlägigen Normenwerke zurückziehen. Die heissen nicht zu unrecht "gesetzesähnliche Bestimmungen"

Ganz so einfach ist es nicht: Die von Dir bemühten Normenwerke (DIN, ISO etc.) sind erstmal nur dann anwendbar, wenn ein Gesetz auf diese ausdrücklich verweist.


Hallo Florian, die Diskussion wird spannend. Bist Du Jurist?

In einem Punkt hast Du definitiv Recht ich hätte "anerkannte Regeln der Technik" statt Stand der Technik formulieren sollen. Nur was macht denn ein Richter wenn er wissen will was die anerkannten Regeln der Technik sind? Der fragt einen technischen Sachverständigen und der guckt bei DIN/ISO nach.

Viele Normen, speziell technische Sicherheitsnormen haben nicht zu Unrecht die (informelle) Bezeichnung "gesetzesähnliche Bestimmungen". Wer davon abweicht hat in einem Produkthaftungsfall vor Gericht erst mal Erklärungsbedarf
Zuletzt geändert von Tassili am Fr 17. Dez 2021, 00:49, insgesamt 1-mal geändert.

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Benutzeravatar
dunrai
Beiträge: 252
Registriert: Do 1. Sep 2016, 13:37
Wohnort: 81925 München
Kontaktdaten:

Re: Massetrennschalter

Beitrag von dunrai »

HJ61-Freak hat geschrieben:Das sehe ich anders, für den Heimwerker hat die ISO 26262 keinerlei Relevanz:


Das kann ich bestätigen.
Das gleiche gilt übrigens für Forenbeiträge: die haben auch dann keine Relevanz, wenn sie nicht zum Thema passen oder Foristen sich in Themen versteigen die für sie selbst im Dunkeln liegen, die Diskussion darüber aber "spannend" finden.

Gruß Rainer
GRJ 79 SC

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Tassili
Beiträge: 304
Registriert: Do 30. Sep 2021, 09:55

Re: Massetrennschalter

Beitrag von Tassili »

dunrai hat geschrieben:
HJ61-Freak hat geschrieben:Das sehe ich anders, für den Heimwerker hat die ISO 26262 keinerlei Relevanz:


Das kann ich bestätigen.
Das gleiche gilt übrigens für Forenbeiträge: die haben auch dann keine Relevanz, wenn sie nicht zum Thema passen oder Foristen sich in Themen versteigen die für sie selbst im Dunkeln liegen, die Diskussion darüber aber "spannend" finden.

Gruß Rainer



Ich fürchte, da irrt sich der KFz-Bastler und ich wünsche keinem von Euch, dass Ihr von einem Richter eines besseren belehrt werdet! - Möglicherweise nach einem Unfall mit Toten! ISO26262 ist der Industriestandard für Automotive Safety und vor Eingriffen in potentiell sicherheitskritische Sýsteme muss ich mir schon ein paar Gedanken machen

Einfaches Spielchen nach ISO26262: Failure injection. Habe ich einen Plan (FMEA oder FTA) was bei meiner Eigenbaulösung alles schief gehen kann, was die Systemreaktionen wären und wie ich die "fail safe" abfange?

Wie ich schon in einem vorigen Beitrag sagte: Derjenige, der von einer 40A Sicherung ein 0,5 mm² Kabel abzweigt, der hat nicht nachgedacht sondern Mist gebaut

Link:
BBcode:
HTML:
Hide post links
Show post links
Antworten

Zurück zu „Allgemeine technische Diskussionen / General Tech Discussion“