Hallo zusammen, inspiriert von dem ausführlichen Eintrag zu Georgien, wollte ich auch mal einen etwas ausführlicheren Beitrag für Kirgistan schreiben. Ich habe von 2017-2020 drei Jahre in Kirgistan gelebt und kenne die Berge und Pisten dort deswegen recht gut.
Abgesehen von der Fahrweise der Kirgisen habe ich mich in den entlegenen Regionen der kirgisischen Berge oder Pisten immer sehr sicher gefühlt. Es gab eine Ausnahme, bei der zwei extrem besoffene Kirgisen (sie konnten nicht mehr gehen) uns geweckt und grölend „gebeten“ haben, sie mitten in der Nacht zu ihrer 10km entfernten Jurte zu fahren. Als Dankeschön haben wir dann aber auch 2kg des besten Kurut bekommen, den ich je gegessen habe. Abgesehen davon hatten wir nie Probleme. Wir wurden öfters zum Grillen oder Wodka trinken eingeladen. Auf asphaltierten Straßen trifft man oft auf die Polizei, die oft irgendwo steht und blitzt und dann für eine vermeintliche Geschwindigkeitsüberschreitung bezahlt werden möchte. Das kann nerven. Aber ist Teil des Ganzen.
Die kirgisischen Berge sind extrem dünn besiedelt, der Alpinismus ist bis auf ein paar Ausnahmen (s.u.) kaum ausgeprägt und man findet fast überall einen Platz, wo man niemandem begegnen wird. Nichtsdestotrotz ist man insbesondere in den Sommermonaten (unterhalb von 3000m) selten allein in den Bergen. Es gibt immer noch viele halb-Nomaden, die zwischen Juni und September ihre Jurten auf den Sommerweiden (Jailoo) in den Bergen aufbauen und natürlich ihre Pferde-, Kuh-, Schaf- oder Ziegenherden mitbringen. Da es in den kirgisischen Bergen keinen ÖPNV gibt, ist es üblich, per Anhalter zu fahren. Ich habe deswegen immer wieder irgendwelche Kirgisen mitgenommen, um ihnen einen stundenlangen Fußmarsch zu ersparen.
Russisch ist hilfreich. Aber ich finde, dass man ziemlich viele Leute trifft, die ein bisschen English können. Außerdem hilft Russisch im Süden auch nicht immer. Da braucht man dann eher Kirgisisch, Usbekisch oder Tadschikisch.
KARTENMATERIAL FÜR OFFROADING UND BERGTOUREN: In den Bergen und in ländlichen, abgelegenen Regionen ist alles, was auf Openstreemap Daten basiert, am besten. Ich habe immer OSMAND+ genutzt. Für bessere topographische Details bei Bergtouren empfehle ich zusätzlich die alten Sowjetischen Militärkarten, welche man von der Website des kirgisischen Alpenvereins (
https://kac.centralasia.kg/maps/) runterladen kann. Sie sind auch als App verfügbar: „Soviet Military Maps“. Wanderkarten auf Papier bekommt man im Büro der Trekking Union of Kyrgyzstan in Bischkek:
https://www.openstreetmap.org/node/4423339791 OFFROADING/PISTEN: Ich habe eine Übersichtskarte mit meinen Empfehlungen für nette Offroad Strecken erstellt:
https://umap.openstreetmap.fr/en/map/ki ... 728/76.251 Hier die GPS Tracks:
https://mega.nz/folder/D9ASGJLS#3QMKA5oWoNixwZgBMl91Jw Bei fast allen dieser Tracks gibt es Stellen, wo es die Gefahr gibt, dass sie zeitweise von Erdrutschen blockiert werden (z.B. der Tossor Pass). Zwei Routen führen an der chinesischen Grenze vorbei. Bei der südlichen, die am Pik Dankov vorbeiführt, bin ich mir nicht 100%ig sicher, ob es geht, weil die Piste eine Zeit lang wegen eines Erdrutsches blockiert war. Für beide Strecken an der chinesischen Grenze braucht man eine Borderpermit. Erhältlich z.B. bei CBT Osh, Nomad's Land (würde ich empfehlen) oder anderen. Man sollte rechtzeitig (min. zwei Wochen vorher) eine Email schreiben und ankündigen für wann man die Permit braucht. Ich glaube, die Permit gilt für drei oder vier Wochen.
Hier eine Wikiloc-Seite mit weiteren guten GPS Tracks fürs offroading:
https://www.wikiloc.com/wikiloc/user.do?id=3912123, sie haben auch ein Buch für die Tracks.
BERGTOUREN: Zunächst: Man kann überall wild zelten. Ich würde aber empfehlen, einmal in einer Jurte zu schlafen (z.B. beim Jurtencamp Bel Tam am Issyk Kul).
Abgesehen von technisch sehr anspruchsvollen Touren mit Eisklettern, etc. haben wir unsere Touren immer auf eigene Faust gemacht. Man kann aber natürlich auch geführte Touren machen. Es gibt eine Vielzahl von Agenturen, die so was anbieten (z.B. Nomad’s Land). Wenn man technisch anspruchsvolle Touren mit einem qualifizierten Guide machen will, empfehle ich die Kyrgyz Mountain Guides Association:
http://mguide.in.kg/. Die sind top! Denen macht so schnell keiner was vor. Wer an Alpinismus während der Sowjetunion interessiert ist, dem kann ich „Stalins Alpinisten“ von Cédric Gras empfehlen.
Ca. 40km südlich von Bishkek ist der Ala Archa Nationalpark (Parkplatz: 42.56252, 74.48325). Im Nationalpark liegt die Ratsek Hütte (42.53496, 74.52872). Sie wurde Mitte der 1970er Jahre erbaut. Auf Fotos sieht man, dass der Ak Sai Gletscher damals ca. 1km westlich der Hütte aufgehört hat. Schaut selbst, wo er jetzt aufhört. Die Ratsek Hütte ist die einzige echte Berghütte in Kirgistan, wie man sie auch in den Alpen findet. Sie wird von Ak Sai Travel bewirtschaftet, hat einen Hubschrauber Landplatz und kann im Sommer ziemlich voll sein. Von der Ratsek Hütte kann man sehr schöne Gipfel besteigen – einfache (Uchitel, Boks) mittlere (Pik Corona, Pik Semyonova Tian Shanski) oder sehr anspruchsvolle (Svobodnaya Korea, Nordroute Boks). Wegen der Vielzahl an verschiedenen Gipfeln und Routen war die Ratsek Hütte schon zu Soviet Zeiten ein Bergsteiger-Mekka. Viele Bergsteiger (aus dem Iran, Ukraine, etc.) gehen zur Ratsek Hütte, um sich dort von den kirgisischen Profis zum Bergführer ausbilden zu lassen. Im Ala Archa Nationalpark kann man locker ein paar Wochen verbringen und die Gipfel, Nebentäler und Gletscher erkunden. Am Ende des Haupttals befindet sich eine verlassene Skistation.
Hier eine Übersichtskarte von mir mit ein paar Orten zum Wandern und Bergsteigen:
https://www.google.com/maps/d/edit?mid= ... sp=sharing Es ist schwierig etwas zu empfehlen, weil es einfach zu viele schöne Orte gibt und man deswegen auch nichts falsch machen kann: Ala Archa, Chon Kemin, Alai Gebirge, alles um den Issky Kul, die Walnusswälder bei Arslanbob, der Song Kol, Suusamyr, Eki Naryn, Sary Tchelek, Ala Kol, etc… Die wahrscheinlich bekannteste Wanderroute ist jene zum Ala Kol See (3600m, 42.3165, 78.5342) südlich von Karakol. Das ist die einzige Tour, wo man relativ viele Touristen trifft. Die höchsten Berge sind der Pik Pobeda und der Khan Tengri im Osten sowie der Pik Lenin im Süden.
In Bishkek gib es einen Laden mit sehr gutem Outdoor Equipment zum Wandern, Klettern, Bergsteigen: Sport Expert (42.839917, 74.584673).
Hier der Link zur Wikiloc-Seite von einem Bekannten, mit der wahrscheinlich besten Sammlung an GPS Tracks fürs Wandern in Kirgistan:
https://www.wikiloc.com/wikiloc/user.do?id=3644133 SKIFAHREN: Es gibt etwas mehr als 10 Skigebiete, die allesamt sehr einfach sind. Das einzige Skigebiet, das einen etwas höheren Standard hat, ist jenes bei Karakol. Am schönsten finde ich jenes bei Too Ashuu (42.31275, 73.80881) im Suusamyr Tal. Neben Bergsteigen ist Kirgistan ein Paradies für Skitouren. Die besten Konditionen hat man im Februar/März. Der bekannteste Ort für Skitouren ist Jyrgalan/Dzhergalan (42.607151, 79.014438) östlich von Karakol. Auch das Suusamyr Tal ist super für Skitouren. Wenn man Glück hat, kann man auch in den Walnusswäldern bei Arslanbob Skitouren gehen. Das Zeitfenster hierfür ist relativ klein. Meistens so zwischen Ende Januar und Mitte Februar.
Auf meiner Wikiloc Seite sind GPS-Tracks für Skitouren:
https://www.wikiloc.com/wikiloc/user.do?id=4104860 . Erfahrene Skitouren-Geher können im Sommer auf dem Gletscher des Pik Korona skifahren – mit Guide. Am Fuß des Gletschers gibt es eine sehr, sehr einfache Hütte (GPS: 42.51191, 74.54334) mit Mäusen, wo man übernachten kann.
DER ISSYK KUL! Der Issyk Kul („warmer See“) ist die Perle Kirgistans. Es ist „das Meer, das es nicht gibt“, worüber zu Sowjetzeiten „der weiße Dampfer“ (Aitmatov) geschippert ist. Das Südufer ist etwas rauer, dünner besiedelt und trockener als das Nordufer. Im Norden sind größere Orte und sogar ein Flughafen. Mir gefällt vor allem die Gegend um Bokonbayevo. Im September kann man großartige Aprikosen eimerweise am Issyk Kul kaufen. Wenn man Glück hat, findet man auch Berberitzen Marmelade (z.B. hier auf dem Markt, der aber nicht jeden Tag stattfindet: 42.656647, 77.202148). Cholpon Ata/Tscholponata ist ein wenig sowas wie der Ballermann Kirgistans. Ich mag das Südufer ein wenig lieber als das Nordufer. Ich habe drei Empfehlungen für wilde Stellplätze:
- GPS: 42.20995, 76.84917; wenn man von der asphaltierten Straße kommt, fährt kann ca. 10km durch ein Flussbett, das meistens aber nicht immer trocken ist.
- GPS: 42.17313, 77.04253; das Jurtencamp „Bel Tam“ ist nebenan und auch sehr schön mit sehr coolen, entspannten Betreibern.
AUTOZEUGS Die Qualität des Diesels in Kirgistan variiert. Ich habe fast ausschließlich bei Gazprom getankt. Tankstellen gibt es überall. Anders als in Usbekistan gibt es in Kirgistan Diesel an jeder Tankstelle.
Ich kenne nur die Mechaniker und Werkstätten in Bishkek. Ich war aber immer zufrieden. Es gibt einen Laden, der offroad Zubehör verkauft (v.a. ARB), Englisch spricht und im Zweifel eine Werkstatt empfehlen kann: Off-road.kg (
https://goo.gl/maps/varuAEc3nXPEyc7H7). Westlich von Bishkek ist der Kudaybergen Auto-Basar (GPS: 42.881298, 74.523759). Wenn man sich lange genug durch den Basar wühlt, findet man dort fast alles. Ich habe dort für ca. 30 EUR Flammen auf meinen HZJ76 kleben lassen
Kleiner Tipp: BFGoodrich A/T Reifen habe ich auf dem Auto-Basar für ca. 130 USD das Stück bekommen. Das war damals ca. 40 EUR billiger als in Deutschland.
Ölwechsel, Filterwechsel, kleinere Reparaturen und Check habe ich immer hier bei Avto Siti machen lassen (GPS: 42.863087, 74.610427). Der Inhaber spricht sogar ein bisschen deutsch. Es gibt einen offiziellen Toyota Dealer, der Originalteile bestellen kann und eine gute Werkstatt hat (GPS: 42.85660, 74.63202).
Für viele Ausländer ist Ryan von Iron Horse Nomads (
https://ironhorsenomads.com/) eine bekannte Anlaufstelle. Ein Freund von mir war regelmäßig (er hat einen Defender…) in deren Werkstatt und hat gute Erfahrungen gemacht. Ein anderer Freund (er hatte auch einen Defender…) war auch überzeugt von deren Mechanikern. Ich selbst war mit meinem HZJ76 nie dort, habe aber den Defender von dem einen Freund einmal dort hingebracht. Wenn man nicht sein eigenes Auto mitbringt, kann man bei Iron Horse Nomads Geländewagen mieten. Man muss wissen, dass erst eine lange, ermüdende Fahrt im Gelände mit einem Lada Niva und den anschließenden Rückenschmerzen eine Reise nach Kirgistan komplettiert.
GRENZÜBERGÄNGE: Bei den Grenzübergängen muss man sich erkundigen, welche (für nicht-Zentralasiaten) offen sind. Das kann sich immer mal wieder ändern. Insbesondere zwischen Tadschikistan und Kirgistan gibt es immer wieder Grenzkonflikte, was dazu führen kann, dass die Grenzen geschlossen werden.
Was Grenzübergänge betrifft, darf man sich auf keinen Fall auf Google Maps verlassen! Google schickt einen sonst wo lang. Immer Openstreetmap. Die bekanntesten Übergänge nach/aus Kirgistan sind jene bei Osh (Grenze mit Usbekistan), jener vom Pamir Highway beim Kyzyl-Art Pass (Grenze mit Tadschikistan), Kordai nördlich von Bishkek (Grenze mit Kasachstan) und jener nord-östlich vom Issyk Kul (Grenze mit Kasachstan). Auf iOverlander sind auch die anderen Grenzübergänge angegeben.
LEBENSMITTEL Für eigentlich ganz Zentralasien gilt, dass Produkte wie Obst und Gemüse auf Märkten besser sind als in Supermärkten. Reis, Nudeln, Mehl, Nüsse und Trockenobst bekommt man fast überall. Frisches Brot auch. In Kirgistan gibt es rundes Weißbrot, das Lepioschka heißt. Die vermeintliche “Hauptstadt” des Lepioschkas ist allerdings Samarkand. In Zentralasien findet man von April/Mai - Oktober sehr gutes Obst. In Bishkek werden Erdbeeren und Himbeeren in Eimern verkauft. Die besten Erdbeeren gibt es in Kirgistan im Spätsommer. Der kirgisische Honig ist preisgekrönt.
In Kirgistan findet man ohne Probleme (Kuh- und Stuten-) Milch und Milchprodukte wie Butterschmalz, Kurut oder Schmand. Mehr zu Kurut:
https://novastan.org/de/kirgistan/kurut ... raffaello/ Durchschnittlichen Käse findet man in vielen Supermärkten. Guten Käse findet man nur in Bishkek. Kaffee findet man mittlerweile in den größeren Orten in jedem Supermarkt. Kirgisen trinken aber eher Tee. In Supermärkten findet man eigentlich das meiste, was man so braucht.
Wenn ich irgendetwas vergessen haben sollte, dann steht hier noch mehr:
https://caravanistan.com/. Ansonten bin ich natürlich auf eure Kommentare gespannt. Auf iOverlander gibt es auch eine Unmenge an nützlichen Infos. Den Burana Turm kann man sich übrigens sparen.
Viel Spaß!
Felix
- Pik Korona