Im Herbst 2015 und 2017 waren wir in den Karpaten sowohl in der Ukraine als auch in Rumänien mit unserem Sprinter unterwegs.
Eure Tour im Winter war sicherlich nicht nur hinsichtlich der Witterung in der Ukraine ein „Nervenkitzel“.
Hallo Thomas, danke für die schönen Bilder. Habe allein durch deine Berichte wieder unheimlich viel kennengelernt. Ich bin auch immer gerne im Osten unterwegs, aber da fehlt mir doch noch einiges, wie ich hier gerade sehe. Mach weiter so ich gucke interessiert zu.
Andy aus Teltow-Fläming
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zu Tode gefürchtet ist auch gestorben
Auf zu neuen Ufern! Es geht an den "Südlichen Bug", genauer gesagt, nach Winnyzja!
Nach dem ersten Teilstück des Ukrainebesuchs bin ich etwas mutiger geworden. Eingehende Gespräche vor Ort, sowie das Verfolgen der aktuellen Lage im Internet, lassen mich die Nord-Süd-Achse Kiew-Odessa ins Auge fassen. Odessa selbst war allerdings in den letzten Tagen häufiger von See aus bombardiert worden - das wäre mir dann doch zu "abenteuerlich" gewesen, obwohl ich diese Stadt sehr gerne mal besucht hätte.
Stadtansichten Winnyzja, Zentrum der gleichnamigen Oblast, ca. 350.000 Einwohner:
Mitten beim Schlendern durch das Stadtzentrum plötzlich Sirenenalarm mit einer Durchsage (die ich natürlich nicht verstand!). Etwas mulmig wurde es mir da schon, aber keiner der Passanten machte irgendwie Ansätze Schutzräume aufzusuchen, oder Unruhe zu zeigen.
Ich sprach dann einen jüngeren Mann an, der tatsächlich etwas englisch sprach und er versicherte mir zumindest, dass ich mir keine Sorgen machen sollte. Okay, ich machte mir keine Sorgen und es passierte nichts!
@ Maik, Martin, Gerhard, Matthias, Werner, Wojtek, Rolf, Andy und natürlich alle anderen Mitleser
Eine Frage die mich schon bei der Reiseplanung bewegt hat:
Kann ich es mit mir vereinbaren als Tourist in ein Land zu fahren, dass sich im Krieg befindet?
Und dabei ging es mir weniger um persönliche Risiken, sondern eher darum, wie Ukrainer über „solche“ Leute denken mögen. Schließlich möchte ich nicht als einer dieser „Gaffer“ empfunden werden, die dann vom Leid anderer Menschen noch großformatige Fotos machen.
Diesbezüglich hatte ich ein Forumsmitglied mit ukrainischen Wurzeln kontaktiert, der eigentlich auch diese Bedenken sah.
Für mich habe ich dann entschieden, ganz flexibel zu planen, um auf Reaktionen der Bevölkerung reagieren zu können und ggf. im Eiltempo mit nur einer Übernachtung Moldawien anzusteuern. Der Rückweg hätte dann über Rumänien, Slowakei und Tschechien führen können.
Von weiteren Einschränkung bezüglich meiner Eindrücke in der Ukraine möchte ich auch berichten. Erstens war ich ja nur im westlichen, relativ wenig in Mitleidenschaft gezogenen Teils der Ukraine unterwegs - im Osten und an den Fronten werden sich die Ereignisse und der Krieg ganz anders darstellen und zweitens konnte ich tiefergehende Gespräche mit Ukrainern nur führen, wenn sie englisch, oder in einem Fall sogar deutsch sprachen. Das heißt, es war ein entsprechendes Bildungsniveau vorhanden - vielleicht hätte ich von den weniger gebildeten Schichten ganz andere Antworten bekommen.
Letztendlich wurde ich überall sehr freundlich aufgenommen (in diesem Fall auch, wenn ich nur mit Übersetzungsprogramm kommunizieren konnte). Wenn ich hinterfragen konnte, sagte man mir, dass sie froh wären um jeden Gast in ihrem Land; sei es damit Hotels Gäste und Personal Arbeit hätte, oder auch um Sorgen und Nöte der Bevölkerung aus dem Land heraus tragen und diese Eindrücke dann irgendwo im Ausland zu vervielfachen. Auch Mitgefühl und Verbundenheit wurden positiv angenommen, besonders bei Gästen aus EU und NATO Regionen.
Unterm Strich war die Parole ein gelebtes „Wir gehören zusammen“!
Trotz aller grausamen Ereignisse wurde überall ein möglichst normales Leben geführt, wer nicht als Soldat eingesetzt war ging ganz normal arbeiten, oder half als Freiwilliger bei der Unterstützung anderer. Es wurden von Bautrupps laufend Straßenreparaturen vorgenommen, Kriegsschäden wurden so gut wie möglich beseitigt, die Versorgung war sichergestellt und mit Strom- oder anderen Energieausfällen ging man ganz gelassen um. Dann wurde halt gekocht, wenn der Strom wieder verfügbar war!
Auswirkungen von Bombardierungen sah ich selten und wenn, dann nur räumlich sehr beschränkt. Mal zwei, drei benachbarte Wohnhäuser, mal irgendwo Brandspuren und Ähnliches. Im jetzigen Teil der Reise war ich auch in Gebieten unterwegs, die von der ersten Angriffswelle vor ca. einem Jahr betroffen waren, dort sah man deutlichere Spuren, es gab auch mehr Straßenkontrollpunkte und vorbereitete Sperren - mit deutschem Kennzeichen und nach kurzem Blick auf mögliche Insassen wurde ich stets freundlich durchgewunken.
Was mir auch aufgefallen ist, das die Ukrainer sehr aufrechte und ehrliche Menschen sind. Sie erwarten, wenn ihnen jemand etwas zusagt, dass es dann auch zeitnah passiert. Wenn EU Verteter sagen, sie sähen die Ukraine als wertvolles Mitglied der EU, können sie nicht glauben, dass das nur „nette“ Worte sind - es folgt die Enttäuschung.
Ähnlich auch bei vollmundigen Versprechen von Waffenlieferungen … die dann vielleicht mal Ende 2024 eintreffen könnten.
Man spricht, denkt und handelt westlich, europäisch. Die grundlose Besetzung ihres friedlichen Landes durch Waffengewalt eines totalitären Regimes ist für alle das größte Unglück. Viele haben ihr Leben grundlos verloren, weil einem fremden Diktator gerade einmal danach war, andere verlieren ihr Leben, weil sie für ihre Heimat und Freiheit kämpfen.
thores hat geschrieben:
Kann ich es mit mir vereinbaren als Tourist in ein Land zu fahren, dass sich im Krieg befindet? ...
... Schließlich möchte ich nicht als einer dieser „Gaffer“ empfunden werden, die dann vom Leid anderer Menschen noch großformatige Fotos machen.
Guten Morgen Thomas,
ich habe auch während deiner vergangenen Reisen, an welchen wir hier teilhaben durften, nicht den Eindruck gehabt, dass du als voyeuristischer Gaffer unterwegs warst. Man hat immer einen Eindruck von den Gegebenheiten des Landes erhalten, ohne Zeigefinger.
Die positiven Kontakte deiner jetzigen Tour passen doch da nahtlos dazu.
Als wirkliches Desaster sehe ich eher Schampus schlürfende Blablabla-Menschen (Politiker*innen) auf einem Balkon in Kiew.
So bewundere ich deinen "Arsch in der Hose", so eine Reise zu unternehmen und bedanke mich für deine Eindrücke
Auch in diesem Krieg gibt es zwei Seiten, gestorben wird auf beiden. Meist sterben sehr junge Leute, im Interesse der Mächte dahinter. Dieser Krieg hat seine Ursachen sicher in einer längeren Entwicklung zwischen den zwei Staaten.
Das ist nur meine Meinung.
Gruß Matthias
Servus Thomas,
also der Golf hatte doch die richtige Tarnfarbe, hätte ich nicht gewaschen.
...wie Ukrainer über „solche“ Leute denken mögen. Schließlich möchte ich nicht als einer dieser „Gaffer“ empfunden werden
verständlich, dass man sich Gedanken macht. Aber ich bin mir sicher, dass sich die Ukrainer über Touristen freuen. Man zeigt Interesse am Land, an der Situation, an den Menschen – und sowas schätzen doch Einheimische. Ich finde, du machst das schon richtig.
Nach NDR und WDR bist du der 3. Doku-Kanal inzwischen, das mich auch a bissl an Gernstl´s Reisen (BR) erinnert . Sollte allerdings jemand ein wenig Ähnlichkeit mit Olav Scholz haben, dann würde ich …eher nicht in die Ukraine fahren.
Zur Lage:
Was mich die letzten Monate immer wieder erstaunte: selbst bei kapitalen Stromausfällen wegen zerbombten Umspannwerken, defekter Wasserversorgung, Versorgung von Lebensmittel und Verletzten, etc etc.
Es wird alles schnell behoben - und es ist ja ein riesiges Land !!!!.
Mein höchster Respekt an all die helfenden Menschen !!!!
Stell mir oft vor, wie lange das bei uns dauern würde???
Der Widerstand der Bevölkerung und auch der Soldaten ist einfach unglaublich und wird weltweit geschätzt.
PS: Gestern TV-Interview über die Lage der BW. Die Bestellung von Piloten-Helmen hat 10 Jahre gedauert. !!!!!!! Selbst die FDP Wehrbeauftragte Zimmermann-Strack hat die Sache bestätigt.
sehr schwieriges Thema , auch Polen und Ukraine habe eine sehr komlizierte Vorgeschichte mit vielen noch dunklen Geschichten , aber wie man sieht , man kann auch friedlich mit dem Nachbarn leben , besonders in schw. Zeiten ,
Ich frage mich manchmal nur , was das russchische Volk so denk und warum folgen die solchen .....
Für eine ursprünglich mal geplante Reise nach Wolgograd, ehemals Stalingrad, hatte ich mich auch mit den Bewegungen der Wehrmacht in der Ukraine beschäftigt. Was ich allerdings nicht wusste war, dass es auch ein Führerhauptquartier namens Werwolf etwas nördlich von Winnyzja gab.
Es wurde eigentlich vollkommen zerstört und ist heute eine Art Freilichtmuseum. Auf einem Rundweg kann man noch einige Betontrümmer von Bunkeranlagen sehen und zugehörige Info-Tafeln erklären das Gesehene.
Zunächst ein Übersichtsplan auf Russisch ... (falls das doch ukrainisch sein sollte, korrigiert mich bitte!)
...und auf dem Gelände dann auch mit englischer Legende (Foto bei Interesse anklicken)
Das Wachpersonal war eventuell sogar deutschstämmig!
Kurz hinter dem Eingang standen ein paar Panzerwracks der aktuellen russischen Invasion
Trümmer der Bunkeranlagen
Reste eines Belüftungsschachts
Und als einziges noch original erhalten: ein Schwimmbecken
Am Ende des Rundwegs waren noch kürzlich demontierte Denkmäler zur "Russischen Völkerfreundschaft" abgelegt worden.
Interessant war übrigens auch die Schreibweise "Вервoлъф", da wurde "Werwolf" m.E. vollkommen richtig transskripiert, bei Übersetzung bzw. Romanisierung wird daraus dann aber ein "Wehrwolf". Auch textlich wird es dann in Verbindung mit "wehrhaft" gebraucht und erklärt. Unabhängig davon ist mir bekannt, das selten auch in der NS-Zeit beabsichtigt die (doppeldeutige) Schreibweise "Wehrwolf" auftauchte
Zum Weltkulturerbe zählen allein dort die Sophienkathedrale mit weitläufigem Klosterkomplex, von der gleich die ersten Fotos sind, die Erlöserkirche von Berestowo und das Höhlenkloster Lawra Petschersk - gerade aktuell in den Nachrichten, weil der Mietvertrag mit der Russisch Orthodoxen Kirche wegen vermuteter Spionagetätigkeit gekündigt wurde.
Ein Bereich mit freigelegtem, ursprünglichen Mauerwerk
Eine geführte Besuchergruppe, nach meinem Sprachgefühl wurde ukrainisch oder russisch gesprochen - also auch hier anscheinend nichts Ungewöhnliches
Klostergebäude
Stadtansichten
Das Goldene Tor - warum auch immer es so heißt
Eine Mutter-Heimat-Statue gibt es nicht nur auf dem Mamajew-Hügel in Wolgograd, sondern auch hier in Kiew!
Am Fuß der Statue befindet sich eine Ausstellung von Militärtechnik - derzeit aus verständlichen Gründen geschlossen
Rund um den "Maidan", ein beliebter Platz für Kundgebungen und Demonstrationen
Der Maidan - behaltet mal die Glaskuppeln auf den nächsten zwei Fotos im Kopf ...
... darunter befindet sich ein mehrstöckiges, in die Tiefe gebautes Shopping Center
Zum Abschluss noch zwei Botschaften - hier die Schweizerische ...
Kiev ist eine sehr schöne und beeindruckende Stadt. Ich war da schon öfters, aber leider nur beruflich, aber immerhin.
Ich wohnte damals immer in Irpen und die Glashütte ´war´ in Gostomel. Der Fahrweg erfolgte immer durch Butscha. Leider ist dort der Sturm durchgefegt.....
Viele Grüße
Martin
1984er BJ45
1987er HJ61
1995er S124 E220 T
1998er HDJ100
07.03.2022
Der ukrainische Produktionsstandort der Vetropack Holding AG ist durch militärische Aktionen stark beschädigt worden. Es gab keine verletzten Mitarbeitenden, erklärte das Unternehmen.
Vetropack hatte am 24.02.2022 aus Sicherheitsgründen begonnen, die Produktion im ukrainischen Werk – der PrJSC Vetropack Gostomel bei Kiew – geordnet herunterzufahren. Alle Mitarbeitenden wurden vorübergehend bei vollem Gehalt von der Arbeit freigestellt.
Auf Martins Anregung ( ) Fotos aus den Kiewer Vororten Irpin und Butscha. Diese Gegend wurde vor etwa einem Jahr von russischen Truppen eingenommen und konnte aber nach gut einem Monat wieder befreit werden. Besonders bekannt wurden diese Orte nicht nur durch die Zerstörung, sondern auch durch Erschiessungen und Folterungen von Zivilisten, die der Beginn von Auflistungen russischer Kriegsverbrechen waren.
Die Spuren sind, wenn auch vieles aufgeräumt wurde, noch deutlich zu sehen. Ich schätze hier den Anteil zerstörter Wohnhäuser auf etwa 10 bis 15%.
Nichtsdestotrotz hat sich auch hier das Leben inzwischen weitestgehend normalisiert, ausgebombte Bewohner haben teils das Gebiet verlassen (zwei solcher Frauen haben mit mir an der Führung durch die Universität Czernowitz teilgenommen), andere sind in Notunterkünften vor Ort geblieben. Sie bemängeln die fehlende Versorgung mit neuem Wohnraum vor Ort und finanzielle Unterstützung zur Sicherung ihres Lebensunterhalts.
Es wurden ja nicht nur Werte, wie Häuser oder Fahrzeuge zerstört, es starben auch Familienmitglieder.
Und wer soll schließlich das fehlende Einkommen ersetzen?
Hier wurde das Leid der Bewohner auch für mich deutlich spürbar.
Ich denke die Fotos sprechen für sich ...
Auch wenn die Supermarktregale prall gefüllt waren, man muss sich den Einkauf dort auch leisten können. Auf dem Land ist es halt üblich, das der eigene Garten auch eine Grundlage für kostengünstige Ernährung ist.
Auch bei diesen Neubauten waren Fenster erstmal noch behelfsmäßig abgedichtet
Etwas außerhalb waren am Straßenrand ausgeschlachtete russische Militärfahrzeuge deponiert