Irgendwie reizen mich Autos aktuell nicht wirklich, deswegen muss der zweirädrige Fuhrpark optimiert werden. Seit dem Lockdown fahren wir in der Familie ziemlich viel und auch lange Strecken mit dem Fahrrad. Dem Sohnemann und mir bekam das irgendwie besser als meiner besseren Hälfte, sprich sie blieb immer häufiger zurück. Das nervt, doch die von ihr vorgeschlagene Lösung eines Fahrrads mit Elektroantrieb wurde meinerseits nicht durchgewunken. Stattdessen machte ich den Vorschlag für die Anschaffung eines Tandems. Gesagt, getan: Die Firma POISON aus der Nähe von Andernach bot vor drei Monaten ein Ausstellungsstück ihres Rennradtandems mit dem schönen Namen DIOXIN mit 30% Nachlass an. Wir sind dann auf einen Samstag zu deren Concept Store gefahren und haben das Gefährt ausgiebig zur Probe gefahren. Meine Frau fand es toll, ich sowieso, also wurde das Rad gekauft. Es ist das erste neue, komplett aufgebaute Fahrrad, was ich in meinem Leben gekauft habe. Und das konnte nicht wirklich gut gehen...
Das Teil ist rahmenseitig extrem steif und trotzdem leicht, so dass es am Rahmen erstmal nichts zu verbessern gab. An sich war auch die Ausstattung mit der 105er-Schaltung in 3x10 und vielen Komponenten von Controlltech recht tauglich, die Kurbeln (TRUVATIV mit sehr großen Q-Faktor) und die Innenlager jedoch mehr als suboptimal.
Da ich wegen der von mir im Gegensatz zu meiner besseren Hälfte beim Treten genutzten halbwegs hohen Trittfrequenz (90-110 U/min) ohnehin vorne auf 180 mm lange Tretkurbeln umsteigen musste, hab ich dann gleich den ganzen Antrieb umgebaut: Vorne sind es jetzt neue Kurbeln von T.A., Model Carmina mit festen Kettenblattstern und hinten auf der Synchronseite die rechte Tretkurbel aus einer alten 105er Gruppe sowie auf der Antriebsseite die rechte Tretkurbel einer alten LX-Gruppe (beides irgendwo aus den frühen 90ern). Die 105er Kurbel für die Synchronseite hat dann noch ein mittels Reparaturhülse umgeschnittenes Pedalgewinde erhalten. Als Innenlager gab es solche von NECO mit hohlgebohrter Welle.
Der Lenker vorne war mir zu schmal und der Vorbau zu kurz, deswegen gab es einen breiteren Lenker von Ritchey und einen längeren Vorbau aus dem Hause Rose. Bereits nach der Probefahrt stand fest, dass meine Co-Pilotin eine gute Federsattelstütze benötigt. Man sitzt dort halt auf dem Hinterrad und die Schläge kommen mangels visueller Ankündigung bisweilen doch recht unvermittelt. Es wurde insoweit eine Sattelstütze mit Parallelogramm des Herstellers Cane Creek, Modell Thudburst LT mit 76 mm Federweg angeschafft, die ihren Dienst ganz hervorragend versieht.
Da ich vorne immer noch zu nah am Tretlager saß, gab es eine Sattelstütze von Ritchey mit 25 mm Versatz nach hinten. Gleichzeitig wurde der Vorbau beim Co-Piloten getauscht, um den Lenker weiter weg vom Co-Piloten zu bekommen.
Für den Co-Piloten gab es die Kombi-Pedale (SPD/Standard) von Shimano und für den Kapitän einen Satz TIME Criterium. Bei letzteren wurden die Achsen vertauscht, um deren Gewinde passend zu den seitenverkehrt montierten Tretkurbeln zu erhalten.
Die erste Ausfahrt durch den Odenwald offenbarte die thermische Überlastung der Scheibenbremsanlage (mechanisch angesteuerte Avid BB7 mit 203mm-Bremsscheiben). Ein Systemgewicht von knapp 200 kg und bergab problemlos (= ohne zu Treten) zu erreichende Geschwindigkeiten deutlich jenseits der 60 km/h fordern ihren Tribut.
Als Lösung wurde dann auf ein hydraulisches Scheibenbremssystem mit 4-Kolbensätteln von HOPE (RX4, ölbasiert) und Bremsscheiben von Brake Stuff, Modell Punch Disc in unveränderten Durchmesser, aber 0,4 mm dickeren Material umgebaut. Da der seilzuggesteuerte 3x10-Antrieb jedoch nicht mit rennradlenkerkonformen STI-Hebeln für hydraulische Scheibenbremsen realisierbar und die insoweit allein passende elektrische Di2-Variante mit rund 2.500 € doch arg teuer ist, habe ich dann noch einen der letzten EDDY-Bremskonverter als Neuteil erstanden. Dieser Konverter setzt die Seilzugbewegung der Brems-Schalthebel in eine Pumpbewegung um und ist insoweit exakt auf die STI-Hebel von Shimano sowie die entsprechenden Bremssättel abgestimmt. Sieht optisch zwar etwas gewöhnungsbedürftig aus, funktioniert aber tadellos.
Dazu wurde dann noch am Hinterrad eine vom Co-Piloten zu bedienende, seilzugesteuerte Felgenbremse aus meinem Fundus montiert. Sozusagen der Rettungsanker. Damit hat das Bremssystem selbst anspruchsvolle Gefällestrecken in der Eifel anstandslos überstanden.
Zu guter Letzt stellte sich dann noch heraus, dass man bei POISON eine nicht wirklich passende Gabel montiert hatte: Deren Einbauhöhe von 455 mm war für Rahmen mit Federgabelgeometrie vorgesehen, während der Tandemrahmen dies nicht vorsah und nach einer Einbauhöhe von 400 bis 415 mm verlangte. Das Fahrrad fuhr sich deswegen bei höheren Geschwindigkeit etwas stoisch-zäh.
POISON regelte das Problem und stellte kostenlos eine Vollcarbongabel mit 400 mm Einbauhöhe zur Verfügung. Da diese im Gegensatz zur falschen Gabel unten einen 1 1/2-Zoll-Duchmesser aufweist und sich erst oben auf 1 1/8-Zoll verjüngt, musste noch ein passender Steuersatz her. Wegen des schmalen Steuerrohres am Rahmen (Innendurchmesser = 44 mm) konnte dessen untere Lagerschale nur als externe Variante verbaut werden, so dass sich der Rahmen um 12 mm anhebt und die Gabel auf effektive 412 mm Einbauhöhe kommt. Das Ergebnis ist aber einwandfrei: Tolles Handling in allen Geschwindigkeitsbereichen und eine Gewichtsersparnis von rund 350 g. Nur die Lösung mit Schnellspanner, Carbonausfallenden und Scheibenbremse ist suboptimal.
Da mich der Schaltkomfort der 105er STI mit innenverlegten Zügen nicht überzeugte - der Schaltzug für das Schaltwerk ist beim Tandem gut 2,8 m lang, da kommt es auf jedes bißchen Weniger an Reibung an - habe ich dann auf die etwas älteren Schalt-Bremshebel der 6600er Ultegra-Serie mit außenliegenden Schaltzügen umgebaut. Der Schaltkomfort ist um Welten besser, weil nicht so hakelig und deutlich präziser.
Fazit: Eigentlich hätte ich mir auch den Rahmen mit Gabel solo kaufen und das Rad komplett selber aufbauen können. Wäre finanziell und vom Zeitaufwand ungefähr auf dasselbe hinaus gelaufen.
Als Abschluss ein paar Bilder:
Gruß
Florian
'86er-HJ61, 450tkm, OME schwer, 35x12,5R15 auf 8,5x15 ET -35, pneumatische gesteuerte HA-Sperre, 80mm Bodylift, optimiertes Verdichterrad, Recaros m. Schwingkonsolen, Aufstelldach u. Innenausbau, div. Zusatzinstrumente, 3"-Abgasanlage inkl. Eigenbau-turbine-outlet, Sidepipe