Einblick in die Arbeit beim LKA Sachsen und deren Erkenntnisse über die Autoschieberbanden.
Quelle ADAC
Das Geschäft mit gestohlenen PKW wird immer professioneller, die Banden bekommen jeden Motor zum Laufen.
Im April 2014 schlägt ein Großaufgebot der tschechischen und deutschen Polizei gut 70km südlich von Dresden bei Usti nad Labem in Tschechien zu. Sie beschlagnahmten Hunderte Getriebe, Sitze, Armaturenbretter, Türen, Steuergeräte und Autoradios. Die Männer wurden festgenommen, müssen wegen schweren KFZ-Bandendiebstahls in Dresden vor Gericht, werden verurteilt und wandern bis zu 7 Jahren hinter Gitter.
Nobelkarossen von BMW Land Rover oder Audi gehen in den Export, vor allem nach Osteuropa und Zentralasien. Massenware von VW oder Skoda dient meist als Ersatzteillager, wird schnell über die Grenze nach Polen oder Tschechien gebracht, zerlegt - und ab damit in den Internet-Handel.
Der Staat reagiert. In Brandenburg mit der Sonderkommission Grenze, in Sachsen mit der Soko Kfz. 54 Beamte arbeiten in dieser im November 2013 gegründeten Einheit, die gemeinsam mit Kollegen in Prag gegen die Autoschieber vorgeht.
Gleichzeitig liefert sich die Autoindustrie mit den Dieben einen Wettlauf um den technischen Vorsprung . Und die Autofahrer fragen sich, was sie selbst für den Schutz ihres Eigentums tun können. Das beginnt bei einfachen Verhaltensregeln wie dem Abziehen des Zündschlüssels bei jedem Stopp. Zudem gibt es Sicherungssysteme, die Diebe viel Zeit kosten oder im besten Fall vom Aufbrechen abhalten .
Beim LKA in Dresden zeigt Kriminalhauptkommissarin Heike Göhler Fotos von Einsätzen hinter der tschechischen Grenze. Zum Beispiel das tadellos sortierte Lager der Diebe in einem früheren Steinbruch oder eine ausgeweidete Karosserie in einer Garage. In einer Lagerhalle bei Dresden beginnt für die Polizisten eine mühsame Puzzle-Arbeit. Jedes Teil muss einem gestohlenen Fahrzeug zugeordnet werden. Wenn sie nicht abgeschliffen oder verändert wurde, hilft die Identnummer.
Wir haben es mit Profis zu tun, die Auftragsarbeiten erledigen", sagt Heike Göhler. ,,Bestellt wird zum Beispiel ein roter Skoda Fabia mit 2.0 Dieselmotor." Kundschafter suchen in Wohngebieten und Großparkplätzen nach Zielobjekten. Dann knackt ein Mechaniker der Bande das Türschloss. Mit dem richtigen Werkzeug geht das so unauffällig, dass selbst am helllichten Tag auf belebten Parkplätzen niemand Verdacht schöpft. Die Gangs sind auf bestimmte Marken spezialisiert, verfügen über die Software, um Alarmanlagen zu deaktivieren und auch Hightech-Wegfahrsperren zu überwinden.
Manchmal birgt Hightech sogar neue Risiken. Etwa die Keyless-Go-Systeme, bei denen das Auto sich öffnen lässt und anspringt, sobald der Schlüssel in der Nähe ist. Der Trick: Während sich der Besitzer von seinem Wagen entfernt, tauschen die Kriminellen dem Auto mit Hilfe eines Signalverstärkers vor, der Schlüssel sei noch vor Ort, steigen in den Wagen und fahren davon.
Bei der britischen Nobelmarke wünscht sich Sprecherin Andrea Leitner-Gameil strengere Vorschriften, um den Zugriff Unbefugter auf die Fahrzeugdaten zu erschweren. Hintergrund: Autohersteller müssen allen Werkstätten Zugang zu den elektronischen Systemen ihrer Fahrzeuge gewähren - ohne ihn könnten viele Reparaturen nicht geleistet werden. Kehrseite: Geraten sensible Informationen in die falschen Hände, ist Missbrauch möglich.
Die Banden arbeiten schnell. Maximal vier Minuten brauchen sie im Schnitt vom Aufbrechen bis zum Anlassen des Wagens. Es herrscht strikte Arbeitsteilung: Der eine knackt und startet, dann übernimmt der Kurier. Mit Handy und vorprogrammiertem Navi ausgestattet fährt er über die Grenze, oft mit Begleitfahrzeug, dessen Insassen über Funk vor Kontrollen warnen. Denn gerade im Grenzgebiet gehen die Fahnder regelmäßig mit Schwerpunkteinsätzen gegen die Schieber vor.
In Brandenburg darf die Polizei den Verkehr auf der Autobahn sogar mit Kennzeichenscannern überwachen, die als gestohlen gemeldete Fahrzeuge erkennen und anschließend Alarm schlagen. Oft sind die Fahrzeuge aber längst im Ausland, bevor der Diebstahl überhaupt bemerkt wurde.
Aber auch wenn die Kuriere mal geschnappt werden, führt das in der Regel nicht zu den Hintermännern. Ihre Auftraggeber kennen sie bestenfalls beim Vornamen. Kuriere sind nur arme Handlanger, die schnelles Geld verdienen wollen und nicht viel wissen. Auf die Spur der Bandenchefs führt deshalb nur kriminalistische Handwerkskunst.
Die Soko KFZ sammelt Informationen aus allen sächsischen Polizeidirektionen, erstellt Profile und führt Telefonüberwachungen durch. Mit viel Glück finden sie DNA-Spuren an Zigarettenkippen oder Hautreste in einem aufgebrochenen, aber am Ende doch nicht gestohlenen Wagen. Dazu kommt es, wenn die Diebe gestört werden oder auf ein unerwartetes Hindernis stoßen. Das kann zum Beispiel ein Schutz an der OBD-Buchse oder eine Lenkradsperre/kralle sein. Das kostet alles Zeit, in der die Diebe erwischt werden können. Und dann lassen sie lieber die Finger davon.
Aller Polizeiarbeit zum Trotz: die Aufklärungsquote liegt bundesweit nur bei 26 Prozent. Der jahrelange Personalabbau spielt den Tätern in die Hände. Oft fehlt die Zeit, die aufwendigen Ermittlungen überhaupt zu führen. Das sächsische LKA sieht trotzdem einige Erfolge: wir wollen Strukturen schädigen und für Abschreckung sorgen. Die länderübergreifende Kooperation mit den Kollegen in Polen und Tschechien hat die Szene verunsichert.